Von Dagmar Henn
Ein neuer Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums, der offiziell noch nicht veröffentlicht wurde, schürt bereits jetzt ernste Bedenken: Geplant ist, den Einsatz künstlicher Intelligenz für Gesichtserkennung, insbesondere zur Suche im Internet, zu erlauben.
Offiziell soll es bei dieser Maßnahme rein um die Terrorismusbekämpfung gehen. Als Beispiel wird das ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette angeführt, die von einem kanadischen Journalisten im Netz entdeckt wurde, bevor es den deutschen Behörden gelang, und zwar durch die Nutzung einer öffentlich zugänglichen Gesichtserkennungssoftware.
Doch bei aller Skepsis, sind zusätzliche Informationen notwendig, um das volle Ausmaß dieser Pläne zu begreifen. Es mehren sich Anzeichen, dass die eigentlichen Ziele weit darüber hinausgehen könnten.
Erst kürzlich berichtete der NDR über ähnliche Bestrebungen in Niedersachsen, wobei der LKA-Präsident Friedo de Vries betonte:
“Da wünsche ich mir, dass wir mit Gesichtserkennungsmethoden auch Fahndungsansätze generieren können. Das heißt, im Netz suchen dürfen nach möglichen Aufenthaltsorten und Anknüpfungspunkten, damit wir effektiver nach diesen Gewaltstraftätern, Straftätern insgesamt, fahnden können.”
De Vries betont, die KI sollte selbst entwickelt und ausschließlich auf deutschen Servern betrieben werden; ihre Nutzung dürfe ausschließlich bei Verbrechen stattfinden, die mindestens mit einem Jahr Haft bedroht sind. Das lässt jedoch Raum für Fragen, insbesondere da de Vries zuvor allgemein von “Straftätern” sprach.
Im Weiteren relativiert der Redakteur des Computer-Magazins c’t, Jan Mahn, das Problem, da bald eine neue EU-Verordnung zur künstlichen Intelligenz strenge Nutzungslimits setzen wird. Allerdings übersieht er, dass diese Verordnung speziell in Artikel 2 (3) ausschließt:
“Diese Verordnung gilt nicht für KI-Systeme, wenn und soweit sie ausschließlich für militärische Zwecke, Verteidigungszwecke oder Zwecke der nationalen Sicherheit in Verkehr gebracht, in Betrieb genommen oder, mit oder ohne Änderungen, verwendet werden, unabhängig von der Art der Einrichtung, die diese Tätigkeiten ausübt.”
Das lässt breiten Interpretationsspielraum für die Definition von nationaler Sicherheit, was verdächtig bequem erscheint.
Hinzu kommt, dass insbesondere die Entwicklung der Gesichtserkennung ein hohes Maß an Überwachung ermöglicht, welches bereits in spezifischen Fahrzeugen und an Grenzen zu Polen Anwendung findet. Die zugrunde liegende Technologie ist fortgeschritten und wird wohl bald kostengünstiger und somit breiter einsetzbar sein.
Im Hinblick auf die geplante Gesetzgebung sollte man bedenken, dass der Zugriff auf öffentlich verfügbare Daten durch Gesetze wie das Verfassungsschutzgesetz legitimiert wird und durch Organisationen wie Correctiv oder die Amadeu Antonio Stiftung erweitert wird. Diese könnten als vorverarbeitende Instanzen für staatliche Organe dienen.
Auch sollten wir nicht vergessen, dass bereits die Teilnahme an Demonstrationen, die staatlich nicht gewünscht sind, strafrechtlich relevant werden kann. Angesichts technologischer Fortschritte wie der in Israel eingesetzten Software Lavender, die ohne Weiteres Wohnhäuser zu Zielen militärischer Angriffe macht, müssen wir wachsam sein. Solche Maßnahmen könnten auch hierzulande zu einer bedenklichen Verschärfung der Überwachung führen.
Der Entwurf dieses neuen Gesetzes und die damit verbundenen praktischen Umsetzungen könnten für die demokratische Substanz Deutschlands ebenso schädlich sein wie die politische Agenda von Innenministerin Nancy Faeser als Ganzes.
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