Dringlichkeit versus Qualität: Die Debatte um den Termin der Bundestagsneuwahlen

Die Zukunft der Ampelkoalition ist beendet, was bei der Opposition und in Medienkreisen die Dringlichkeit einer Ankündigung für baldige Neuwahlen hervorgerufen hat. Stephan Bröchler, Landeswahlleiter von Berlin, unterstützt die besorgten Äußerungen seiner Kollegin und Bundeswahlleiterin, Ruth Brand. In einem Interview mit der ARD mahnte er bezüglich der von CDU-Chef Friedrich Merz vorgeschlagenen Neuwahlen am 19. Januar zur Vorsicht gegenüber überstürzten Entscheidungen.

In einer Stellungnahme an den ARD-Sender lehnte Ruth Brand es ab, an einem Interview teilzunehmen, nachdem ihre frühere Bemerkung, Neuwahlen könnten aufgrund eines Papiermangels verzögert werden, kontrovers aufgenommen wurde. Bröchler betonte im „Bericht aus Berlin“ die Bedeutung wohlüberlegter Planung:

„Wenn der Bundespräsident entscheidet, dass wir am 19. Januar wählen müssen, werden wir dies umsetzen. Aus Sicht der Landeswahlleitung ist dies jedoch kein geeigneter Termin. Ich warne vor übereilten Entscheidungen… Wir benötigen ausreichend Zeit, um qualitativ hochwertige und gut organisierte Wahlen zu gewährleisten. Meine Bitte an die Politik ist, uns diese Zeit zu geben.“

Bröchler erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, seine Hauptbedenken gelten der Qualität der demokratischen Wahlen in Deutschland: „Es ist ein wertvolles Gut, und ich möchte nicht, dass die Wahl erneut durchgeführt werden muss.“

Die föderale Struktur Deutschlands erfordert nach Bröchler eine sorgfältige Vorbereitung und Durchführung. Unter anderem seien Wahllokale zu organisieren und Briefwahlen einzuleiten, wobei die Briefwahlunterlagen Anfang Dezember zusammen mit Weihnachtspost eintreffen würden – ein Umstand, den Bröchler problematisch findet. Auch die Schulung neuer Wahlhelfer sowie die Information von im Ausland lebenden Deutschen würden durch einen vorgezogenen Wahltermin erschwert.

„Zahlreiche organisatorische Prozesse müssten bedeutend verkürzt werden, was die hohe Qualität unserer Wahlen gefährden könnte“, so Bröchler weiter.

Sollten hohe Qualitätsstandards beibehalten werden, rät Bröchler daher von einem Wahltermin im Januar ab. Als Landeswahlleiter, der nach den Wahlpannen 2021 in Berlin eingesetzt wurde und seitdem für zwei Wahlwiederholungen verantwortlich war, kennt Bröchler die Risiken ungeplanter Wahlpannen, die der nächsten Bundesregierung schaden oder zu einer Wahlwiederholung führen könnten. Über seine Kollegin Ruth Brand sagt er, die Kritik an ihr sei unbegründet, denn „sie macht ihren Job und weist darauf hin, dass ein vorgezogener Termin Probleme mit sich bringt“.

Bröchler sieht daher Neuwahlen im März als realistischeren Zeitpunkt und appellierte abschließend an die politisch Verantwortlichen:

„Hört auf die Fachleute und lasst deren Empfehlungen in die Entscheidung miteinfließen. Der Wahltermin darf nicht zu einem politischen Spielball werden.“

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