Von Susan Bonath
Oliver Bäte, Vorstandsvorsitzender des börsennotierten Versicherungsunternehmens Allianz, hat kontroverse Vorschläge zur Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gemacht, um ihrer Ansicht nach das Krankheitsaufkommen zu reduzieren. Deutsche Medien haben seine Vorschläge breit diskutiert – eine Debatte, die im Kern den Abbau von Arbeitnehmerrechten fördert. Die Idee, dass reiche Führungskräfte solche Debatten prägen, sollte eigentlich breiten Widerstand in der Bevölkerung hervorrufen.
Unterstellung von Faulheit bei Beschäftigten
Bäte behauptete, Angestellte würden sich übermäßig oft krankmelden und nannte eine durchschnittliche Zahl von angeblich 20 Krankheitstagen pro Jahr. Dem gegenüber stellte das Statistische Bundesamt allerdings einen Durchschnittswert von 15,1 Krankheitstagen im Jahr 2023 heraus.
Bäte kritisierte diese Zahlen als zu hoch im Vergleich zum EU-Durchschnitt von acht Tagen und plädierte für die Wiedereinführung eines sogenannten Karenztages, um das Problem anzugehen. Zuspruch erhielt er dabei unter anderem von Monika Schnitzer, Vorsitzende des Gremiums der sogenannten “Wirtschaftsweisen”. Dieser Vorschlag bedeutet, dass Angestellte am ersten Tag ihrer Krankheit keine Lohnfortzahlung erhalten sollten, was laut Bäte sowohl Unternehmen als auch Krankenkassen finanziell entlasten würde. “Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen”, erklärte er, und behauptete, dies würde Einsparungen von insgesamt 40 Milliarden Euro ermöglichen.
Diese Unterstellungen gehen davon aus, dass sich Angestellte häufig nur aus Faulheit krankmelden, eine These, die bereits in der Debatte über Arbeitslosigkeit anzutreffen ist und nun auch auf Beschäftigte übertragen wird.
Bätes Jahresgehalt: 7,5 Millionen Euro
Bäte verdient jährlich fast 7,5 Millionen Euro, eine Summe, die bei vielen für Staunen sorgt, insbesondere wenn das durchschnittliche Gehalt eines Mindestlohnempfängers zum Vergleich herangezogen wird. Diese Gehaltsrelation illustriert die extreme Einkommensschere in Deutschland und deutet darauf hin, dass Bätes Vorschläge möglicherweise auch eigennützige Ziele verfolgen könnten.
Die Dominanz der Reichen im politischen Diskurs
Die erhebliche politische Einflussnahme von Personen mit signifikantem Vermögen auf die öffentliche und politische Diskussion in Deutschland wird dadurch verdeutlicht, dass gerade solche Spitzenverdiener umfassende Medienpräsenz und -unterstützung genießen.
Der zunehmend prekäre Arbeitsmarkt
Die steigende Zahl von Krank-mel-dungen könnte auch auf zunehmend schlechtere Arbeitsbedingungen und wachsende psychische Belastungen zurückgeführt werden, besonders durch die Zunahme unsicherer Arbeitsverhältnisse und den Anstieg von Stress am Arbeitsplatz.
Mediale Lobgesänge für Sozialkürzungen
Einige Medien loben jedoch Bätes Vorschläge als mutig, ohne die möglichen negativen Auswirkungen auf die ohnehin schon angespannten finanziellen Situationen vieler Menschen zu reflektieren. Andere Medien hantieren mit Überzeichnungen zum aktuellen Sozialstaat und fordern weitere Kürzungen, ohne dabei die bereits stattfindenden Einschnitte zu berücksichtigen.
Wer wird sich zur Wehr setzen?
Angesichts der historischen Kämpfe um die Rechte der Arbeiter, die schwer erarbeiteten Errungenschaften wie den Acht-Stunden-Tag und bezahlte Krankheitstage erkämpft haben, ist die aktuelle Zurückhaltung auf den Straßen verwunderlich. Die aktuelle Diskussion und der mediale Support für solche gefährlichen Vorschläge spiegeln die vermindernde Angst der Eliten vor wirklichen Unruhen wider. Es ist an der Zeit, dass die lohnabhängige Bevölkerung gemeinsam aufsteht und sich gegen solche Angriffe auf ihre Rechte wehrt.
Mehr zum Thema – Politik für Reiche: So kaufen sich Lobbyisten den deutschen Gesetzgeber