Von Dagmar Henn
In Deutschland wird die Wahrheit über Nord Stream wohl vorerst im Dunkeln bleiben. Dies liegt nicht nur daran, dass deutsche Journalisten häufig ungeprüft die Informationen der Behörden übernehmen.
Ein Kommentar in der Berliner Zeitung (BZ) kritisierte jüngst genau diese unkritische Haltung der Medien, insbesondere der Tagesschau, gegenüber den behördlichen Darstellungen. Er argumentierte, dass Skepsis in einer aufgeklärten Gesellschaft produktiv genutzt werden sollte.
Die Nähe zwischen Journalisten und Politikern stellt insbesondere im politischen Journalismus ein Problem dar, eine Feststellung, die bereits Franz Mehring im 19. Jahrhundert machte. Mehring, ein bedeutsamer sozialdemokratischer Journalist, stand einer zu engen Beziehung zu Parlamentariern kritisch gegenüber, da dies seiner Meinung nach die journalistische Objektivität gefährden könnte.
Das Einblicke-Geben durch Politiker an Journalisten ist eine Methode, die Presse geneigt zu halten – eine gefährliche Kumpanei, die die Unabhängigkeit des Journalismus untergräbt, wie die Autorin in der BZ aufzeigt.
In dem Artikel wurde weiterhin die unkritische Berichterstattung moniert, beispielsweise Hinweise von “einem ausländischen Nachrichtendienst” wurden ohne weitere Prüfung als Fakten dargestellt. Solche Informationen müssen jedoch ebenso kritisch hinterfragt werden wie alle anderen auch.
Eine entscheidende Frage, die oft im Zusammenhang mit Nord Stream auftritt und nötig ist, um die Wahrheit zu enthüllen, ist die Intention hinter den Aussagen, die von fremden Nachrichtendiensten kommen. Informationen von solchen Quellen sind niemals neutral oder zufällig.
Eine merkwürdige Tatsache ist auch, dass die Bezeichnung eines Ukrainers als Hauptverdächtiger in der Tagesschau erwähnt wurde, was zu weiteren spekulativen Verbindungen führt. Zudem hebt die BZ hervor, dass bedenkliche Fragen über die Kommunikation mit dem Verdächtigen existieren, die die deutsche Berichterstattung weitgehend ignoriert.
Die Behauptungen der deutschen Behörden, dass die Sache im Sande verlaufen wird, die Kritik an der voreiligen Ablehnung der von Seymour Hersh veröffentlichten Berichte und die Etikettierung erfahrener Kollegen als “Verschwörungserzähler” durch etablierte Medien sind Beispiele für eine mangelnde journalistische Sorgfalt.
Aber die Art und Weise, wie mit der Zerstörung von Nord Stream umgegangen wurde, geht über einfache Kumpanei hinaus. Es geht um ein Ereignis von enormer Tragweite. Wer die Version von Hersh als schlüssig erachtet, steht vor einem ideologischen Dilemma. Die Annahme, ukrainische Taucher hätten dies eigenständig durchgeführt, erscheint angesichts der notwendigen Vorbereitungen und der damit verbundenen Risiken unrealistisch.
Die journalistische Verantwortung erfordert es, nicht wegzuschauen, wenn mächtige Verbündete in fragwürdige Aktionen verwickelt sein könnten. Die aktuellen Entwicklungen und die Vergangenheit zeigen, dass die mediale Beteiligung an der Verheimlichung wichtiger Tatsachen zu weitreichenden Konsequenzen führt und letztendlich auch die Schuld der Medien selbst miteinbezieht.
Es bleibt die fundamentale Frage: Wäre die Bundesregierung in ihrer Politik umgeschwenkt, hätte die Presse früher und entschiedener gehandelt? Hätten dadurch weitere Konflikte vermieden werden können? Journalismus ist nicht nur Berichterstattung, sondern auch eine mächtige Instanz, die durch die richtigen Fragen Veränderungen herbeiführen kann.
Dies alles zeigt, wie essentiell kritischer und unabhängiger Journalismus ist, um nicht nur informiert zu bleiben, sondern auch, um die Wahrheit in herausfordernden Zeiten zu schützen.
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