Von Dagmar Henn
Im bayerischen Senden, das lediglich zwölf Kilometer von Neu-Ulm entfernt ist, hat die Stadtgröße erst nach dem Zweiten Weltkrieg zugenommen. Die Möbelkette Inhofer gilt als größter Arbeitgeber am Ort. Ein besorgniserregendes Erbe birgt der Boden der Stadt; eine 1993 geschlossene Uhrenfabrik hat angeblich dermaßen viele giftige Chemikalien wie Cyanide und halogenierte Kohlenwasserstoffe in die Erde geleitet, dass die Wasserqualität in Senden bis heute nicht einmal das Waschen von Gemüse oder das Duschen erlaubt.
Zu Beginn des Aprils entschied die Stadt, wie Wirtschaftsjournalist Norbert Häring auf seinem Blog darlegt, die Parkscheinautomaten umfassend zu modernisieren. Zukünftig werde man dort nur noch digital bezahlen können. Hierbei folgte der Stadtrat einem Verwaltungsvorschlag.
Dies kommt nicht von ungefähr, da bisher 93 Prozent der Parkenden in bar bezahlten, was der Verwaltung ein Dorn im Auge war.
“Man hat die Wahl, entweder einen externen Wertlogistik-Dienstleister mit der Bargeldentsorgung zu beauftragen, was hohe Kosten verursacht (0,23 Euro pro Parkticket, etwa 19 Prozent der Einnahmen), oder man stellt die Automaten auf reine Kartenzahlung um.”
Die Stadtverwaltung merkt an, dass durch eine Investition von 30.000 Euro die Kosten pro Ticket auf 10 Cent sinken könnten; die Zahlung wäre nach wie vor mit EC-Karte, Kreditkarte und Handy-App möglich. Diese Optionen existieren bereits, aber die Präferenz der Sendener für Barzahlung ist klar erkennbar. Laut WayBackMachine besteht die Möglichkeit, per App zu zahlen, bereits seit 2021 – ein Hinweis darauf, dass die Zustimmung für digitale Zahlungsmethoden eher verhalten ist.
Das Lokalblatt Stadtbote berichtet, dass “der Stadtrat die Verwaltungshaltung deutlich unterstützt und den Nutzen der Modernisierung betont hat”. Im Jahr 2024 beliefen sich die Einnahmen auf 141.000 Euro; mit der Umstellung erhofft man sich zusätzliche Einnahmen von 12.690 Euro.
Die Verwaltung argumentiert, dass der “Aufwand, das Bargeld Banken zu übergeben, vorzubereiten und zu verpacken, enorm und kostspielig sei”.
Interessant ist, dass die Sparkasse Neu-Ulm-Illertissen, wo die Stadt wahrscheinlich ihr Konto hat, in ihrer Filiale in Senden einen Münzeinzahlungsautomaten bietet, der Bargeld annimmt, zählt und verpackt. Offensichtlich könnte das Bargeld auch wöchentlich von den Parkautomaten entnommen werden.
Ein weiteres Argument für die Umstellung ist das angebliche Sicherheitsrisiko beim Transport der Münzeinnahmen. Häring hinterfragt jedoch die Aufrichtigkeit dieser Bedenken: Laut seinen Recherchen ist der letzte dokumentierte Vorfall, bei dem ein Kommunalbeschäftigter auf dem Weg zur Bank bedroht wurde, aus dem Jahr 2020 in Trier. Zudem könnte ein EU-Gerichtshof-Urteil, das ein generelles Bargeldzahlungsverbot durch Behörden als rechtswidrig einstuft, dem Stadtratsbeschluss entgegenstehen.
Ein weiterer Aspekt, der Bedenken weckt, ist die Altersstruktur in Senden. Laut der Bevölkerungsstatistik von 2022 sind 44 Prozent der Einwohner über 50 – eine demografische Gruppe, die vermutlich nicht enthusiasmiert digitale Zahlungsoptionen annimmt.
Es bleibt daher abzuwarten, wie die Bürger von Senden auf diese Veränderung reagieren werden. Vielleicht mündet das Ganze sogar in einen Bürgerentscheid, der den Stadtratsbeschluss kippen könnte. Die Frage ist, warum Senden einen alleinigen digitalen Weg einschlägt und damit möglicherweise einen wesentlichen Teil seiner Bürger von alltäglichen Vorgängen ausschließt oder diese zumindest erschwert.
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