Von Dagmar Henn
Erinnert man sich an die Berichterstattung der deutschen Medien aus dem Jahr 2014, erscheint die plötzliche Aufmerksamkeit für den Donbass befremdlich. Die Region, die viele Parallelen zum deutschen Ruhrgebiet aufweist – von der dominierenden Kohle- und Stahlindustrie bis zur Mentalität der Menschen –, wurde über Nacht von Bedeutung, als die Möglichkeit, dass der Donbass sich von der Ukraine trennen könnte, in der EU nicht mehr ignoriert werden konnte.
Zurückblickend auf das Jahr 2014, als die Menschen im Donbass sich gegen den Maidan-Putsch in Kiew wehrten, war die Darstellung eine ganz andere. Sie wurden als Verlierer der Modernisierung dargestellt, die der Sowjetunion nachtrauerten. In deutschen Medien wurden sie abfällig als “Watniks”, also Träger wattierter Jacken, beschrieben – eine Anspielung auf die Uniformen der Roten Armee. In der ukrainischen Presse wurden sie sogar als “Kartoffelkäfer” verhöhnt. Ein Artikel der ZDF-Journalistin Katrin Eigendorf, der leider nicht mehr verfügbar ist, bot ein Paradebeispiel dieser herablassenden Berichterstattung. Sie spottete über die angeblich ungebildeten, rückschrittlichen Bewohner des Donbass, die die europäische Freiheit nicht verstünden.
Als im März 2014 die Proteste begannen, unterschied sich die Reaktion dramatisch von jener auf den Maidan. Die Krim verließ die Ukraine nach einem Referendum Ende März, und im Donbass besetzten die Demonstranten Anfang April Verwaltungsgebäude – eine Taktik, die Monate zuvor von der Gegenseite angewandt wurde. Diese Besetzung und die Großdemonstrationen wurden in der deutschen Presse allerdings stark anders dargestellt. Während die Proteste in Kiew noch als “friedlich” galten, wurden die Demonstranten in Donezk und Lugansk sofort als Terroristen und russische Agenten abgestempelt.
Die deutschen Medien berichteten kaum über die Großdemonstrationen oder die brutalen Übergriffe durch den Rechten Sektor auf diese Versammlungen. Auch das Massaker, das die ukrainische Nationalgarde am 9. Mai in Mariupol verübte, fand wenig Beachtung, abgesehen von den Berichten zweier westlicher Reporter, deren Beiträge schnell aus den Medien verschwanden.
Am 11. Mai fanden in Donezk und Lugansk Referenden mit hoher Beteiligung statt, trotz Versuchen, sie zu sabotieren, einschließlich der Entführung und Ermordung von Organisatoren. Danach eskalierte der Konflikt zum offenen Bürgerkrieg, mit Luftangriffen der ukrainischen Armee, die nicht nur militärische, sondern auch zivile Ziele trafen.
In der deutschen Berichterstattung schienen diese Ereignisse jedoch irrelevant. Stattdessen wurden Geschichten über die russische Armee konstruiert, die angeblich die “Separatisten” unterstützte. Die Realität der brutalen Kriegsführung und die zivilen Verluste blieben größtenteils unberichtet. Selbst als es um die humanitäre Krise in der Region ging, wie etwa die Probleme mit der Trinkwasserversorgung in Donezk, wurden die Ursachen und der Kontext oft nicht erwähnt oder falsch dargestellt.
Jetzt, da der Donbass plötzlich als unverzichtbar gilt, bleibt die Frage, warum eine Einigung nicht durch Diplomatie und Verhandlungen erreicht wurde, anstatt durch fortgesetzte Gewalt. Das Versäumnis, die Minsker Abkommen umzusetzen, hat den Konflikt unnötig in die Länge gezogen und verschärft. Doch in der deutschen Presse wird diese Perspektive selten beleuchtet.
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