Von Susan Bonath
In Deutschland zeichnen sich zunehmend bedenkliche Verzerrungen der Geschichte ab. Am Gedenktag zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 80 Jahren nutzte der israelische Präsident Itzchak Herzog diese Gelegenheit, um Muslime als neue globale Bedrohung darzustellen, gegen die die Vereinten Nationen „mutig vorgehen“ müssten. Gleichzeitig sollte an diesem Tag in Berlin ein jüdisch-israelischer Aktivist für Palästinenserrechte wegen eines kritischen Social-Media-Posts über die israelische Besatzung vor Gericht stehen, der Prozess wurde jedoch aufgrund einer Erkrankung verschoben.
Verfolgung wegen eines Social-Media-Posts
Am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz stand der israelische Filmemacher und Aktivist Dror Dayan im Fokus der deutschen Justiz. Ihm drohten bis zu drei Jahre Haft wegen angeblicher Verwendung von Symbolen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen. Der Prozess am Amtsgericht Tiergarten wurde jedoch auf den 5. Mai 2025 vertagt, da eine Sachverständige verhindert war.
Dayan, Mitglied des linken jüdischen Vereins „Jüdische Stimme“, ist bekannt für seine Kritik an der unrechtmäßigen Besetzung palästinensischer Gebiete durch Israel und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen. Seine strafrechtliche Verfolgung begann im April 2024 im Kontext erhöhter Spannungen nach einem Hamas-Angriff auf Israel.
„Sündenbock der Nazienkel“
Dayan hatte den umstrittenen Slogan „From the river to the sea, Palestine will be free“ in einem Post verwendet und bezog sich dabei auf einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung, in dem stand, dieser Slogan werde künftig ähnlich strafrechtlich verfolgt wie die Darstellung von Nazisymbolen. Er kommentierte:
„Wir lassen die Geschichte nicht umschreiben. Palästina-Solidarität wird nicht zum Sündenbock der Nazienkel. Eure Verbrechen, nicht unsere.“
„Repressionen zur Rechtfertigung von Völkermord“
Diese Aussage soll laut Dayan von zionistischen Vertretern eines „Großisrael“ instrumentalisiert werden. Er wendet sich gegen die Kriminalisierung der Solidarität mit den unterdrückten Palästinensern und sieht darin einen Versuch Deutschlands, seine Unterstützung für israelische Politik zu rechtfertigen. Dayan sagte im Interview:
„Was wir beobachten, sind Repressionen, ohne die Deutschland seine Unterstützung für das Vorgehen Israels nicht rechtfertigen könnte.“
„Schwere Verharmlosung des Holocausts“
Die Vergleichsetzung der Hamas und der palästinensischen Widerstandsbewegung mit Nazi-Deutschland dient laut Dayan dazu, die israelischen Aktionen gegen Gaza zu legitimieren. Er betont die Unverhältnismäßigkeit dieser Vergleiche:
„Eine brutal unterdrückte Bevölkerung mit dem deutschen Naziregime gleichzusetzen, ist eine schwere Verharmlosung der Naziverbrechen bis hin zum Holocaust.“
Hasskampagnen und administrative Schikanen
Durch besondere Härten wie Hausdurchsuchungen, Veranstaltungsverbote und Kontokündigungen zeigt sich in Deutschland eine restriktive Haltung gegenüber jüdischen und israelischen Stimmen, die sich gegen die Besatzung aussprechen. Dayan erlebt aufgrund seiner Herkunft aus einer Familie jüdischer Kommunisten aus Berlin oft persönliche Anfeindungen und administrative Hindernisse.
Die britische Gewerkschaft „University and College Union“ aus Liverpool wurde aktiv, indem sie eine Online-Petition zur Unterstützung von Dayan und allgemein der Palästina-Bewegung ins Leben rief. Die Petition kritisiert die Gleichsetzung des Slogans „From the river to the sea“ mit dem Zeigen von Nazisymbolen als gefährliche Relativierung des Holocausts und warnt vor einer weiteren Kriminalisierung palästinensischer Solidarität.
In diesen politisch wie historisch beladenen Zeiten appelliert Dayan an die Anerkennung und den Dialog und fordert ein Ende der Einschränkung der Meinungsfreiheit.