Von Dagmar Henn
Ein bemerkenswerter Logikfehler durchzieht die Reaktionen deutscher Medien und Politiker auf Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putins über Deutschland. Die Argumentation scheint improduktiv: Putin trifft die AfD, daher sei sie schlecht, weil Putin schlecht ist, der wiederum schlecht ist, weil er die AfD trifft?
In normalen Zeiten kaum vorstellbar, doch Putin antwortete auf die Frage nach Verbindungen zu der AfD: “Wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland kooperieren wollen.” Daraufhin kritisierte Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag die AfD und meinte, es sei peinlich, dass sie Lob von Putin erhalten haben: “Das ist schon peinlich, dass Sie heute großes Lob vom russischen Präsidenten bekommen haben.”
Ein solcher direkter Austausch könnte als irrationale Fixierung in den Medien erscheinen, wäre er nicht so euphorisch aufgegriffen worden.
Putins Aussage, “Wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit uns kooperieren wollen,” entspricht einer grundsätzlichen politischen Haltung. Der Vorwurf scheint zu sein, dass nach Olaf Scholz nur Kooperationen mit moralisch und ideologisch passenden Partnern erlaubt sein sollten. Sollte diese Linie auch die deutsche Politik charakterisieren, wäre das politische Dilemma Deutschlands möglicherweise weniger gravierend.
“Jeder alternative Standpunkt wird wie eine gegen den Staat gerichtete Haltung aufgenommen. Und alle werden gleich zu Agenten des Kreml ernannt”, unterstreicht Putin.
In dieser Perspektive wird ein AfD-Abgeordneter kritisiert, weil er in einem russischen Fernsehsender nicht die deutsche Panzerlieferung an die Ukraine befürwortete, während Verbindungen eines deutschen Zentrums mit Russland schnell als verdächtig dargestellt werden.
Die eigentliche Debatte sollte jedoch um die Beeinträchtigung deutscher Souveränität durch solche Kontakte kreisen. Ohne geheime Verbindungen oder direkten Einfluss auf politische Entscheidungen wären diese nicht zwangsläufig bedrohlich. Wie aber steht es mit dem Einfluss der USA, den man nicht so offenlegt, wie Scholz neben Biden während der Nord Stream-Diskussion stand?
Die Anerkennung von Putins Aussagen im Merkur, “Wir verstehen, dass die Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nie im wahrsten Sinne des Wortes ein souveräner Staat war,” wird auf problematische Weise von der “Reichsbürger-Szene” assoziiert, so als würde eine solche Aussage jegliche demokratische Legitimität negieren. Dabei ist das Thema der Souveränität ein wichtiger Diskussionspunkt.
“Es ist sogar seltsam, dass niemand in der heutigen deutschen Führung die deutschen Interessen verteidigt.”
Dieses persönliche Bekenntnis wird kaum aufgegriffen, vielleicht weil es die kritische Realität deutscher Politik allzu deutlich macht:
“Natürlich ist mir Deutschland nicht gleichgültig. Ich habe viele Freunde dort, die ich versuche, nicht zu behelligen, um sie nicht in irgendwelche Schwierigkeiten innerhalb des Landes zu bringen.”
Die Darstellung Putins in der Rheinischen Post als Unterstützer der AfD ignoriert eigentliche politische und persönliche Belange, und suggeriert stattdessen eine milde Opposition, die in Anbetracht der hakenschlagenden deutschen Innenpolitik fast zynisch wirkt. Die anschließenden Interpretationen offenbaren deutlich mehr Zuneigung zu Deutschland als die deutschen Reaktionen selbst.
Mehr zum Thema – Putin: “Deutschland ist mir nicht egal – ich habe dort viele Freunde”