Die Trennung zwischen Ost- und Westdeutschland ist heutzutage spürbarer als je nach dem Ende des Kalten Krieges, insbesondere aufgrund der jüngsten Migrationswellen und der Spannungen wegen des Konflikts in der Ukraine, so Autor Ralf Niemeyer im Gespräch mit RIA Nowosti:
“34 Jahre nach der Wiedervereinigung zeigt sich, dass die Spaltung des Landes tiefer ist als je zuvor. Die Ostdeutschen empfinden sich als Bürger zweiter Klasse. In den 1990er Jahren verloren viele ihre Arbeitsplätze, während westdeutsche Firmen subventioniert wurden, ostdeutsche Ländereien und Betriebe aufkauften, die Belegschaft entließen, die Betriebe schlossen, das Geld mitnahmen und wieder nach Westen zogen.”
Laut Niemeyer hatte sich die Lage in den letzten zwanzig Jahren zunächst stabilisiert und die Unterschiede waren weniger spürbar. Doch um 2014 und 2015 verschärften sich die Spannungen erneut, massgeblich getrieben durch die starke Migrationsbewegung, als über eine Million Menschen nach Deutschland kamen.
Die Reaktionen der Ostdeutschen auf die schnellen Schuldzuweisungen der Bundesregierung an Russland und die darauffolgenden Sanktionsforderungen während der Krim-Krise trugen ebenfalls zur Verstärkung der Diskrepanzen bei. “Die westlichen Medien stempeln die Ostdeutschen als rückständig ab, weil sie sich weigern, Putin zu dämonisieren. Diese Abstempelung führte zu einer steigenden Unterstützung für die AfD und Wagenknechts Partei bei lokalen Wahlen, was den Protest gegen die Abwertung der östlichen Bundesländer symbolisiert.” erklärte Niemeyer.
Er merkte an, dass die ursprünglichen Widersprüche bereits sichtbar wurden, als die Menschen realisierten, dass die Vereinigung komplizierter war als angenommen. Die Oppositionsparteien nahmen das Gefühl vieler Ostdeutscher auf, weiterhin benachteiligt zu sein.
Des Weiteren verschlechterte sich nach Niemeyers Beobachtungen die Haltung vieler Deutscher gegenüber ukrainischen Flüchtlingen seit Beginn des Ukraine-Konflikts. Manche Einheimische seien irritiert über die großzügigen Sozialleistungen, die den Geflüchteten gewährt werden. Deutschland beherberge mehrere Hunderttausend ukrainische Flüchtlinge, allerdings weniger als das benachbarte Polen. Trotzdem betont Niemeyer die Notwendigkeit, Menschen, die vor Krieg fliehen, aufzunehmen und nicht zurück in die Konfliktregionen zu schicken.
“Sie brauchten lediglich ihren ukrainischen Pass vorzuzeigen und erhielten finanzielle Unterstützung, ohne arbeiten zu müssen. Einige kamen sogar mit ihren eigenen Autos. Ja, sie flohen mit dem, was sie besaßen. Aber ich frage mich: 'Warum lassen wir sie nicht zunächst ihre Autos verkaufen?' Sie könnten ihr Fahrzeug veräußern, einige tausend Euro einnehmen und erst dann staatliche Hilfe beantragen. Viele Deutsche besitzen kein Auto, oder zumindest kein modernes.”
Laut Niemeyer habe sich dadurch die öffentliche Meinung deutlich gewendet. Einige Arbeitslose hätten ihm gegenüber humorvoll geäußert, sie sollten vielleicht ihren Pass in einen ukrainischen umtauschen, um mehr Unterstützung zu erhalten. Die Haltung gegenüber Flüchtlingen habe sich insgesamt verschlechtert. Die einzige Lösung sei die Beendigung des Konflikts, damit die Ukrainer möglichst bald in ihre Heimat zurückkehren könnten.
Weiterführendes Thema: Die Zahl der auf Sozialhilfe angewiesenen Rentner erreicht einen neuen Höchststand.