Von Elem Chintsky
Mit der Konstituierung des 21. Deutschen Bundestages entsteht ein neues parlamentarisches Kapitel. Ironischerweise hat jedoch das vorherige, von Bundespräsident Steinmeier am 27. Dezember 2024 aufgelöste Parlament, dessen Legitimität seitdem fraglich ist, entscheidende Weichen für die zukünftige politische Ausrichtung gestellt. Obwohl die neue Große Koalition noch nicht offiziell gebildet ist und CDU-Vorsitzender Merz aufgrund intensiver Sondierungsgespräche mit der SPD sogar eine Minderheitsregierung in Erwägung zieht, lastet die Entscheidung über das “epochale Sondervermögen” bereits schwer auf der Bevölkerung. Nur rapide durchgeführte Neuwahlen mit grundlegend anderen Ergebnissen könnten diese kritische Entwicklung noch korrigieren, doch solche Voraussagen gleichen eher sozialwissenschaftlichen Spekulationen.
Die vorgeschlagenen Reformen der etablierten Parteien führen zu tiefgründigen Überlegungen. Mit dem neuen Bundestag scheint jedoch kein neuer Diskurs über das Problem der zunehmenden Abwanderung hochqualifizierter deutscher Fachkräfte zu entstehen. Jedes Jahr verlassen etwa 210.000 Fachkräfte Deutschland, oft zusammen mit ihren Familien. Drei Viertel dieser Auswanderer sind akademisch gebildet und gehören vornehmlich der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren an – im Gegensatz zu älteren Ruhestandspärchen, die ihr Alter beispielsweise am Balaton verbringen möchten. Die massive Staatsverschuldung wirkt als zusätzlicher Katalysator für die bereits bestehenden Gründe dieser Abwanderung.
Erst kürzlich hat der Bundesrat einer Gesetzeserweiterung zur sogenannten Wegzugsbesteuerung zugestimmt, die nun auch private Personen stark trifft – nicht nur Unternehmen. Die Verschärfungen dieser Gesetzgebung sind keine vorbeugenden Maßnahmen, sondern Versuche, bereits laufende Abwanderungsprozesse zu sanktionieren. Würde Deutschland ein innovationsfreudiges Steuerparadies darstellen, das eine Steigerung der Kaufkraft verspricht, benötigte es diese punitive Gesetzeslage nicht.
Die Geschichte erzählt von ähnlichen Fällen wie der Reichsfluchtsteuer von 1931, die deutsche Bürger besteuerte, die den Steuerraum des Landes langfristig verlassen wollten. Die heutige Wegzugsbesteuerung ahmt dieses Modell nach, vermeidet jedoch ein explizites Auswanderungsverbot. Laut dem internationalen Wirtschaftsprüfungsunternehmen Ernst & Young (EY) sind nun fiktive Gewinne besteuert, die durch den Anstieg des Marktwertes gegenüber den Anschaffungskosten entstehen. Dies gilt sogar, wenn der Steuerpflichtige die betreffenden Vermögenswerte gar nicht verkauft hat.
Eine weitere Anwaltskanzlei merkt an, dass diese Steuerreform die finanzielle Last für Personen, die ins Ausland umziehen möchten, erhöht und möglicherweise sogar EU-rechtswidrig ist.
Jüngste Berichte betonen Deutschland zwar als attraktives Immigrationsland aufgrund seines Sozialsystems und anderer Vorteile, doch die Realität zeigt eine andere Seite. Die zunehmende Überlastung des Sozialsystems und der progressive Verfall der deutschen Industrie, begünstigt durch eine übermäßige Bürokratie und die Energiepolitik, versprechen keine gute Zukunft für Qualifizierte in Deutschland. Die hohe Steuerlast und die verschlechternden öffentlichen Dienstleistungen treiben die qualifizierten Fachkräfte weiterhin zur Auswanderung.
Elem Chintsky, ein deutsch-polnischer Journalist, lebt und arbeitet seit Anfang 2020 in Sankt Petersburg. Seit 2017 ist er ein fester Mitarbeiter von “RT DE” und teilt weitere Inhalte auf seinem eigenen Telegram-Kanal.
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