Das allseits bekannte und gefürchtete Dilemma betroffener Bürger beginnt mit der Veräußerung städtischer Wohnungen an Privatinvestoren, so auch zu Beginn der 2000er-Jahre unter Verantwortung eines sogenannten rot-roten Senats der Parteien SPD und PDS (heute Die Linke) in Berlin. Die meist langjährigen Erstmieter der “Kleinhaussiedlung am Steinberg” im Bezirk Reinickendorf erlebten im Jahr 2010 die Veräußerung der Anlage an private Investoren. Der aktuell betroffene Rentner erfuhr durch das finale Urteil des Amtsgerichts Wedding nun davon, dass er sein vertrautes Lebensumfeld nach einem 14 Jahre lang andauernden Streit mit den neuen Vermietern endgültig verlassen muss.
Über das unerbittliche Urteil mit Folgen wird in den Berliner Medien breit berichtet. Die Berliner Zeitung titelt:
“Urteil in Berlin: Manne, 84, soll sein Elternhaus räumen – Seit 14 Jahren kämpfen Rentner in Berlin-Reinickendorf gegen einen Immobilien-Investor. Nun ist gegen den ersten von ihnen ein hartes Urteil ergangen.”
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) ergänzte in einem Artikel mit der Information, dass die Kündigung gegen den Rentner “rechtskräftig sei”, so die Gerichtssprecherin am Montag gegenüber dem rbb. Dem 84-Jährigen wurde seitens des Gerichts eine Räumungsfrist von drei Monaten zugestanden. Im Beitrag wird erwähnt, dass der Rentner jedoch die Möglichkeit erhielt, rund 4.300 Euro als Sicherheitsleistung hinterlegen zu lassen, “eine Art Kaution, um im Haus bleiben zu dürfen, bis der Fall durch alle Instanzen gegangen ist”, so der rbb.
Weitere Hintergründe zu dem Einzelschicksal liefert die Berliner Zeitung:
“Dem 84-jährigen Manfred ‘Manne’ Moslehner wurde gekündigt, weil er sich gegen Modernisierungsmaßnahmen stellte, zu deren Duldung er gerichtlich verurteilt wurde. Eine auf 850 Euro geschätzte Mieterhöhung wäre für den Rentner einfach nicht zu stemmen. Die Modernisierung würde sein Ende in der Wohnung bedeuten, in der er am 2. Oktober 1939 geboren wurde. Seine Eltern gehörten zu den ersten Mietern der Reinickendorfer Siedlung, die vor über hundert Jahren erbaut wurde und von ihren Bewohnern auch Kleinkleckersdorf genannt wird.”
Der alte Mann erfährt dabei große Unterstützung und Solidarität der umliegenden Anwohner. Im Artikel wird die Gesamtsituation in der Siedlung beschrieben: “Die 38 Häuser, von denen 18 noch von den ursprünglichen Mietern bewohnt werden, sind mit hochbetagten Menschen besetzt, der Älteste ist über 90 Jahre alt.”
Der Berliner Kurier erinnert: “Neben 62 Wohneinheiten in fünf Reihenhauszeilen sowie einem Doppelhaus entstanden auch drei Mehrfamilienhäuser. Jede Wohneinheit hat einen Garten, auch die Geschosswohnungen.”
Das Berliner Abendblatt informierte im Jahr 2017 darüber, dass vor Verkauf der Siedlung die Nettokalt-Mieten im Durchschnitt unter 500 Euro lagen. Die Mietshäuser haben dabei rund 80 Quadratmeter Wohnfläche. Weiter heißt es:
“Der Clou sind die großen Hausgärten. Solche Lage weckt Begehrlichkeiten. Der neue Besitzer vermarktet die Häuser nach umfangreichen Umbauten für weit mehr als eine halbe Million Euro. Er wirbt um Investoren, die von den hohen Abschreibungen für denkmalgeschützte Objekte profitieren wollen. 16 Häuser sind bereits saniert, doch die wenigsten schon wieder bewohnt.”
Die Berliner Zeitung ergänzt sieben Jahre später: “Heute lockt der von dem Berliner Architekten und Stadtbaumeister Ernst Hornig zwischen 1919 und 1920 geschaffenen Ort Investoren an. Seitdem die Wohnanlage von der GSW an einen privaten Investor, die Am Steinberg Entwicklungsgesellschaft mbH, verkauft wurde, fürchten die Mieter um ihre Häuser und Wohnungen.”
Die Nachbarschaftshilfe erklärt, dass die Mieten nach eingeforderten Modernisierungen für die Bewohner, viele davon Rentner, nicht mehr bezahlbar sei. Dabei würden für bereits umgebaute Häuser der Siedlung “Kaltmieten von mehr als 4.000 Euro verlangt”.
Der 84-Jährige ist nun der erste der verbleibenden Mieter, “dessen Mietvertrag wegen seiner Weigerung, die Modernisierung zuzulassen, nicht nur gekündigt, sondern der auch auf die Räumung seines Hauses verklagt wurde”. Zudem hat er auch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Nachfragen, auch seitens der Presse am Urteilstag, ließ die verantwortliche Richterin nicht zu. So hieß es lediglich, “die Urteilsbegründung wird den Parteien im Rechtsstreit schriftlich zugestellt”.