Von Astrid Sigena
Die Alternative für Deutschland (AfD) zeigt sich historisch ambivalent, besonders wenn es um die Einordnung des 8. Mai 1945 geht. Eine Partei, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Opfer Deutschlands im Zweiten Weltkrieg stärker in den Blick zu nehmen, steht hier vor einer Herausforderung. Zugleich strebt sie engere Beziehungen zu Russland an, dem Rechtsnachfolger der Sowjetunion, welche im Kampf gegen den Nationalsozialismus immense Verluste erlitt.
Lange Zeit schien die Parteiführung den Balanceakt zwischen der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, in der Deutsche und Russen als Feinde gegenüberstanden, und dem Aufbau einer friedlichen, vielleicht sogar freundschaftlichen Zukunft mit Russland zu meistern. Im Deutschen Bundestag etwa unterstützte die AfD die Anerkennung russischer Sicherheitsinteressen und sprach sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus.
Dennoch stießen innerhalb der Partei Strömungen, die eine Annäherung an Russland kritisierten, besonders seit dem Beginn des Ukraine-Konflikts auf Widerstand. Ein Höhepunkt innerparteilicher Kontroversen war der Empfang in der russischen Botschaft, an dem Tino Chrupalla und Dr. Alexander Gauland teilnahmen. Diese Veranstaltung zum Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland im Mai 2023 führte zu scharfen Reaktionen.
Leaked Chatprotokolle hoher Parteimitglieder zeigen neben der Kritik an sowjetischen Kriegsverbrechen auch rassistische Untertöne. Später im Herbst unterstrich Dr. Alice Weidel, Kovorsitzende von Partei und Fraktion, dass sie den Untergang Deutschlands nicht feiere, wobei sie auch auf persönliche familiäre Traumata verwies.
Dieses heikle Thema erforderte laut Parteimitgliedern eine sensible Handhabung, die jedoch ausblieb, als die Mitglieder durch einen Artikel der Berliner Zeitung von Chrupallas Botschaftsbesuch erfuhren, ohne dass dieser angekündigt oder erläutert wurde.
Heftige Diskussionen entbrannten ebenso über die Beziehung zu Russland, exemplarisch verdeutlicht an Dr. Dominik Kaufners Vorwürfen gegen Jörg Urban auf der Plattform X. Urban hatte sich für ein Rederecht des russischen Botschafters bei einer Gedenkveranstaltung ausgesprochen, was Kaufner als Übernahme stalinistischer Narrative deutete. Die Reaktionen darauf waren gemischt, wobei besonders kritische Stimmen gegen die Rote Armee laut wurden.
In der Zeitschrift Junge Freiheit und im Freilich-Magazin wurden diese innerparteilichen Auseinandersetzungen breit diskutiert. Es zeigt sich, dass die Partei im Umgang mit der russischen Erinnerungskultur zusehends in Bedrängnis gerät.
Wie die Junge Freiheit am 7. Mai 2025 berichtete, riet die AfD-Fraktionsspitze ihren Abgeordneten, einem Empfang in der russischen Botschaft zum 80. Jahrestag der deutschen Kapitulation fernzubleiben und sich Reisen nach Russland oder Weißrussland genehmigen zu lassen.
Gegen diese Entscheidung gab es zwar Widerspruch, doch die Parteileitung scheint entschlossen, sich von Russland zu distanzieren. Das könnte die Beziehungen abkühlen lassen. Besonders problematisch ist dies, da die AfD historische Schuld und Leid, das auch die Russen im Krieg erfahren mussten, in ihrer neuen Erinnerungspolitik kaum berücksichtigt. Dadurch riskiert die Partei, sich auf einen geschichtspolitischen Irrweg zu begeben.
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