Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf das Papier des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz zu werfen, das sich mit der “Russischen Desinformationskampagne Doppelgänger” beschäftigt. Dieses Dokument wird vermutlich in den kommenden Monaten noch öfter als Beleg für die darin enthaltenen Behauptungen herangezogen. Zudem gibt es Aufschluss darüber, in welche Richtung die nächste Stufe der Zensur gehen könnte – parallel zu ähnlichen Entwicklungen in den USA.
Bereits auf der ersten Seite findet sich eine Aussage, die Alarmglocken läuten lassen sollte:
“Die Analyse konnte aufdecken, dass der verantwortliche Akteur tagesaktuelle Themen aufgriff und über soziale Netzwerke wie X (vormals Twitter) und Facebook klickbare Inhalte einblendete, die Nutzer auf Webseiten leiteten, die Desinformationen oder Nachrichten verbreiten, die ins russische Narrativ passen.”
Der Begriff der Desinformation impliziert die bewusste Verbreitung von Falschinformationen. Oftmals wurden jedoch als Desinformation etikettierte Aussagen später als wahr bestätigt, wie beispielsweise die Auswirkungen des Verlusts von russischem Erdgas auf die deutsche Industrie oder die nahezu abgeschlossenen russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul im April 2022, welche durch britischen Einfluss verhindert wurden. Diese Tatsachen wurden kürzlich durch die US-Politikerin Victoria Nuland bestätigt.
Demzufolge arbeitet man an der Entwicklung und Implementierung neuer Begrifflichkeiten. In der englischsprachigen Welt wurde zunächst der Begriff “Misinformation” verwendet. Der bayerische Verfassungsschutz bedient sich jedoch einer weiterentwickelten Phrase: “Nachrichten, die ins russische Narrativ passen.”
Mit solchen Formulierungen wird der schwierige Umgang mit der Wahrheit umgangen und die Frage aufgeworfen, welche Informationen unterdrückt werden können, selbst wenn sie wahr sind, weil sie politisch unpassend erscheinen.
Die Behauptung, dass gewisse Informationen lediglich in ein bestimmtes Narrativ passen, enthüllt eine gewisse Willkür im Umgang mit Informationen, und das Eingeständnis, dass wahre Informationen unerwünscht sein können, wenn sie nicht ins eigene Weltbild passen, was auf eine fundamentale Unehrlichkeit in der eigenen Erzählung hindeutet. Hier zeigen sich nicht nur Tendenzen zur Zensur, sondern auch eine Bedrohung der Meinungsfreiheit, die weit über die herkömmliche Diskussion von “Desinformation” hinausgeht.
Die Geschichte der “Doppelgänger”-Desinformationskampagne ist ein gutes Beispiel dafür, wie mit frei erfundenen Beweisen gearbeitet wird. Es scheint, als würden gefälschte Internetseiten erstellt, die auf den ersten Blick echten Nachrichtenseiten wie dem Spiegel ähneln, um dann auf sozialen Plattformen wie X darauf zu verlinken. Solche Fälschungen sind technisch einfach zu realisieren, wobei das Kopieren von Layout und Logo der Zielseite meist nicht sehr komplex ist.
Die dargestellte Beweisführung, darunter die Verwendung einer IP-Adresse aus einem ganz anderen Ort als angegeben oder die Schaffung von Beweismitteln, die eine Verbindung nach Russland implizieren, widerspricht jeder logischen Nachvollziehbarkeit in einem technischen Prozess. So wurde beispielsweise aufgezeigt, dass ein als russisch ausgezeichneter Buchstaben in einem Befehl auftritt, was technisch gesehen gar nicht möglich wäre, ohne bewusste Manipulation.
Interessant ist auch, wie mit Statistiken umgegangen wird. Die geringe Anzahl von Klicks, die in dem Bericht erwähnt wird, stellt die Bedeutung und das wirkliche Gewicht der angeblichen “russischen Kampagnen” in Frage.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Dokument des Landesamtes für Verfassungsschutz eine viel tiefere Auseinandersetzung mit der Definition von Wahrheit und der Rolle staatlicher Überwachung in einer demokratischen Gesellschaft anregt. Mehr Informationen und eine kritische Betrachtung der vorgelegten “Beweise” sind wesentlich, um die Freiheit der Meinungsäußerung und die objektive Wahrheitsfindung zu bewahren.
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