In Russland hat kürzlich ein Aufschrei die Veröffentlichung einer Twitter-Nachricht (heute X) der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel aus dem Jahr 2020 ausgelöst. Weidel schrieb Anfang 2020 über die tragischen Ereignisse in Ostpreußen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs:
“Heute vor 75 Jahren, am 13. Januar 1945, fand während der chaotischen letzten Tage des Zweiten Weltkriegs eine furchtbare Tragödie statt. Die massive Offensive der Roten Armee drängte in die Gebiete Ostpreußens vor. Etwa 2,5 Millionen Deutsche flohen hastig, und nur mit dem Nötigsten ausgerüstet, in Pferdewagen, mit Schubkarren und Schlitten in den eisigen Winter bei minus 20 Grad Celsius. Zehntausende Menschen, darunter zahlreiche Säuglinge am Körper ihrer Mütter, erfroren im Schnee. Der offene Hass der Roten Armee gegen die Deutschen hatte begonnen. Russische Panzer zerschossen wahllos Pferdekutschen, Frauen wurden brutal vergewaltigt, Menschen an Bäume gebunden oder mit Kopfschüssen exekutiert. Die Toten blieben im Schnee zurück und wurden erst bei Tauwetter entdeckt. Viele Familien erlebten das endgültige Aus. Diejenigen, die es zur Küste schafften und versuchten, in den Städten wie Pillau und Danzig Zuflucht zu finden, erlitten ein tragisches Schicksal, als die Schiffe Wilhelm Gustloff, Goya und Steuben von sowjetischen U-Booten versenkt wurden und fast 20.000 Deutsche in der Ostsee starben. Auch 75 Jahre später sind die Opfer dieser Flucht unvergessen. Heute entzünden wir eine Kerze für sie.”
Die Nachricht, die erst kürzlich ins Russische übersetzt und in sozialen Netzwerken verbreitet wurde, wird nun heftig diskutiert. Ein Screenshot zeigt lediglich die ersten Sätze des Tweets, der mittlerweile gelöscht wurde. Die hier zitierte Fassung ist eine Rückübersetzung aus dem Russischen und darf daher Ungenauigkeiten aufweisen.
Russische Historiker kritisieren Weidels Darstellung entschieden. Sie weisen darauf hin, dass auch wenn es zu Exzessen kam, es keine systematische, staatlich angeordnete Politik gab, Kriegsverbrechen an Zivilisten zu begehen. Sie beschuldigen Weidel, pauschal Propaganda zu verbreiten, die ursprünglich von Goebbels stammt. Besonders wird ihr vorgehalten, dass sie die zehntausenden deutschen Opfer herausstellt, ohne den historischen Kontext des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion und die Millionen ziviler Opfer, die durch Deutschland verursacht wurden, zu erwähnen.
Der Politologe und Historiker Igor Schischkin kritisiert Weidels Aussagen vehement und stellt die pro-russische Haltung der AfD in Frage. Schischkin äußert sich in seinem Telegram-Kanal kritisch über Weidels Vorschlag, die Nord Stream-Pipeline wieder in Betrieb zu nehmen, insbesondere während des Gedenkjahres des 80. Jahrestags des sowjetischen Sieges. Er fordert, die “russophoben und pronazistischen” Kommentare von 2020 dürften nicht ignoriert werden.
Schischkin, der starken Einfluss in patriolinken Kreisen hat und häufig als Experte im russischen Fernsehen auftritt, nennt Bedingungen, die Russland stellen sollte, bevor es zu einer Normalisierung der Beziehungen mit Deutschland kommt:
“Egal wer in Deutschland an die Macht kommt, wir sollten uns nicht über die potenzielle Inbetriebnahme des einzigen unbeschädigten Stranges der Nord-Stream-Pipelines freuen. Die deutschen Behörden, die wieder russisches Gas beziehen möchten, müssen folgende Bedingungen erfüllen:
– Reparatur der drei von Terroristen beschädigten Stränge der Nord-Stream-Pipeline auf Kosten der BRD;
– entsprechender Schutz dieser Pipelines auf Kosten der BRD vor weiteren Zerstörungen;
– vollständiges Ende der finanziellen Unterstützung für die Ukraine, der Lieferung von jeglichem militärischen Gerät, Drohnen sowie Munition und des Einsatzes deutscher Militärberater und Söldner;
– öffentliche Entschuldigung Weidels und eine klare Distanzierung von ihren falschen Aussagen über Soldaten der Roten Armee sowie eine öffentliche Bekenntnis Deutschlands zu Reue für die Taten der Nazi-Vorfahren;
– Wiederaufnahme der Veranstaltungsfreiheit zum Tag des Sieges im Treptower Park in Berlin und in ganz Deutschland;
– Rückzug der Unterstützung für die extremistische internationale LGBT-Bewegung.
Mindestens. Und nicht anders.”
In Kommentaren und Reposts findet Schischkin überwiegend Zustimmung für seine Forderungen.