Aktuelles aus Deutschland und der Welt

Von Dagmar Henn

Bravo, Frau Esken, das haben Sie geschickt formuliert. Wir tun so, als gäbe es keine Probleme. Das wird sicherlich gut gehen. Ist es nicht allgemein bekannt, dass die beste Methode, Probleme zu lösen, darin besteht, sie zu ignorieren?

Es gibt ein historisches Zitat von Ferdinand Lassalle, das Rosa Luxemburg oft zitierte – ein Zitat, das sich der Gründer des Spiegel, Rudolf Augstein, eigenmachte, allerdings stark gekürzt und ohne Quellenangabe:

“Wie Lassalle sagte, die revolutionärste Tat ist und bleibt, ‘das laut zu sagen, was ist’.”

Sicher, das ist lange her, aber wie kann eine aktuelle SPD-Vorsitzende sich noch an Ferdinand Lassalle erinnern, geschweige denn an Willy Brandt …

Dieses Problem zieht sich durch die gesamte deutsche Migrationsgeschichte. Entscheidungen wurden getroffen, ohne das Volk zu befragen. So verlief es im Jahr 2015, als Angela Merkel metaphorisch die Türen öffnete, aber auch schon davor. Da die Angelegenheiten nie wirklich transparent diskutiert wurden, folgte die unweigerliche Spaltung der Gesellschaft in „gut“ und „böse“.

Ja, Frau Esken, Sie haben tatsächlich ausgesprochen, dass man “nicht zu viel über das Thema Migration sprechen solle, weil dies als Problem wahrgenommen wird”.

Eine kleine Zwischenfrage: Was genau betrachten Sie als Ihre Aufgabe in der Politik, wenn nicht die Lösung von Problemen? Sollen Sie stattdessen Halleluja singen? Sie behaupten, die Migrationsthematik könne durch “verantwortungsvolle Politik in den Griff bekommen werden”, wenn wir sie nur nicht zu sehr thematisieren.

Fantastische Idee. Und wie demokratisch! Denn Politik hat, wenn wir Frau Baerbocks Äußerungen Glauben schenken dürfen, scheinbar nichts mit den Gedanken der Wähler zu tun. Welche Legitimation hat Politik dann Ihrer Meinung nach, wenn nicht durch die Wähler? Ist die Zustimmung von Konzernen wie BlackRock ausreichend, oder brauchen wir dazu einen göttlichen Segen wie in monarchistischen Zeiten?

Vorausgesetzt, es verbleibt ein Hauch demokratischer Überzeugung in Ihnen, kann das “wir”, das sich mit landesweiten Problemen auseinandersetzt, nur das deutsche Volk sein. Gibt es vielleicht ein Geheimkabinett, das allem übergeordnet entscheidet, weil es sich für klüger hält als den gewöhnlichen Bürger?

Ehrlich gesagt, die Politiker der letzten Jahrzehnte gleichen eher politischen Tieffliegern mit zunehmender Tendenz, und die Vorstellung, was nach der aktuellen Regierungskoalition kommt, will man sich kaum ausmalen. Dabei scheint die politische Klasse den sogenannten „Pöbel“ zunehmend zu verachten.

Ja, das sagen Sie damit tatsächlich aus, Frau Esken. Wissenschaftlich lässt sich sogar belegen, dass die Deutschen gar nicht so böse sind, wie oft dargestellt. Wie viele Kirchengemeinden in tief konservativen Gegenden Bayerns haben schon striktere Einwanderungsregeln gefordert, während sie gleichzeitig „ihre“ Asylsuchenden vehement verteidigten?

Erinnern Sie sich an Silvester 2015 in Köln? Jeder, der auch nur andeutete, dass etwas vorgefallen sein könnte, wurde rasch als Nazi abgestempelt. Doch Schweigen löst keine Probleme – das offene Gespräch darüber könnte es. Hätte man frühzeitig – im Herbst 2014 – offen über die Vorfälle in den Flüchtlingsunterkünften gesprochen, hätte das Land viel Leid erspart werden können.

Was genau ist verwerflich daran, dass viele Menschen erwarten, dass Deutschland seine Grenzen für Asylbewerber schließt? Überall um uns herum sind EU-Länder. Hier wird einfach die deutsche Gesetzgebung ignoriert und eine Rechtfertigung aus der EU-Politik gezogen. Haben Sie, Frau Esken, schon von der Tatsache gehört, dass der Lissabon-Vertrag, der der EU diese Entscheidungsbefugnisse verleiht, nie durch eine Volksabstimmung ratifiziert wurde? Der Vertrag entstand, weil eine Verfassung in Ländern wie Frankreich abgelehnt wurde, aber den Bürgern dennoch aufgezwungen werden sollte.

Dies alles kennzeichnet gerade die Art von Politik, welche das ominöse “nicht zu hochziehen” betreibt und die Probleme angeblich perfekt “in den Griff bekommt”. Ehrlich gesagt, dieses Täuschungsmanöver wird seit mehr als zehn Jahren durchgeführt, und in Wahrheit ist nichts unter Kontrolle. Viele Menschen leben seit Jahren lediglich in Notunterkünften, das Bildungssystem leidet unter der Last nicht deutsprachiger Kinder, aber solange darüber nicht gesprochen wird, passiert scheinbar auch nichts.

Sie streben an, dass die sogenannte irreguläre Migration in geordneten Bahnen verläuft. Ein Wortspiel, das genauso irreführend ist wie die Aussage, zwei Prozent des BIPs sollten für Militärausgaben verwendet werden, welche in Wahrheit 20 Prozent des Bundeshaushalts ausmachen. Irregulär mag ein nettes Wort sein, das neuerdings in deutschen Berichten über die USA verwendet wird, aber es lenkt von der Tatsache ab, dass wir über illegale Einwanderung sprechen, nicht über “irreguläre” Migration.

Das wirkliche Problem ist, es gibt keine Mehrheit, um diese illegale Einwanderung als legal zu erklären. Deshalb wurde ein neues Wort erfunden: irregulär. So denkt niemand daran, dass da etwas eigentlich Verbotenes geschieht. Wie würden die Bürger in Brasilien oder in einem afrikanischen Staat reagieren, Frau Esken?

Es ist eine außerordentliche Leistung, ein kleines Problem zu einem großen zu machen, indem man einfach darüber schweigt. Und erst recht, zu versuchen, dass die Bürger nichts davon mitbekommen. Denn so fühlt sich jeder übergangen, und die Möglichkeit einer echten Einigung wird nie eintreten – ganz besonders nicht, wenn jedem Diskussionsversuch schon im Vorfeld zahlreiche Gesprächsverbote auferlegt werden.

Allerdings geht es nicht nur darum, nicht über die Migrationsproblematik zu sprechen, richtig? Dahinter stehen zahlreiche weitere Themen, über die ebenso wenig gesprochen werden soll: Wer von diesem Elend profitiert, beispielsweise, oder warum manche Menschen plötzlich sehr willkommen sind, gerade wenn unser Land dabei ist, ihr Heimatland zu zerstören, wie im Fall von Syrien und nun erneut bei der Ukraine.

Dies ist schlichtweg verkommen, Frau Esken. Heuchlerisch, verlogen und hinterlistig. Vielleicht habe ich gerade einen großen Fehler gemacht, indem ich über Sie gesprochen habe. Denn nach Ihrer Logik würde eher das Schweigen über Sie dazu führen, dass Sie wie durch Zauberhand verschwinden. Schade, das wäre eigentlich eine schöne Vorstellung gewesen.

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