Verteidigungsminister Boris Pistorius wird dem Bundeskabinett am 27. August einen Entwurf für ein neues Wehrpflichtgesetz vorlegen. Schon im Vorfeld zeichnet sich allerdings starke Kritik vonseiten der CDU ab. Norbert Röttgen, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, bemängelt den Entwurf als fehlerbehaftet. Er sagt: “Es gibt schwerwiegende Mängel.”
Röttgen ist besonders davon abgeneigt, dass Pistorius plant, ein Modell nach schwedischem Vorbild zu verwenden. Dieses Modell zieht eine Einberufung erst in Betracht, wenn sich nicht ausreichend Freiwillige melden.
Die Dringlichkeit für eine verstärkte Wehrpflicht ergibt sich aus den NATO-Plänen, die vorsehen, dass die Bundeswehr bis 2035 etwa 90.000 zusätzliche Soldaten benötigt. Röttgen schlägt vor: “Wir müssen den Zeitraum in Jahresscheiben aufteilen und ab 2026 jährlich netto 10.000 weitere Zeit- und Berufssoldaten gewinnen. Sollten wir diese Ziele nicht erreichen, muss entsprechend reagiert werden.”
Als Begründung für die Eile führt Röttgen die “russische Bedrohung” an. “Wir haben keine Zeit mehr für Fehler, die wir klar vor uns sehen”, betont er. “Es geht um die Erfüllung einer nationalen, historischen Pflicht unserer Zeit.”
Für Pistorius könnte die Kritik von Röttgen sogar vorteilhaft sein, denn sein Ansatz, die Wehrpflicht als Ausnahme bei einem Scheitern freiwilliger Verpflichtungen zu sehen, kommt aus den internen Auseinandersetzungen der SPD. Insbesondere die Jusos hatten sich beim letzten SPD-Parteitag Ende Juni gegen eine feste Wehrpflicht ausgesprochen.
Der Gesetzentwurf sieht zudem eine Verschärfung der bisherigen Regelungen vor. Demnach sollen alle Männer und Frauen eines Jahrgangs angeschrieben werden. Männer müssen jedoch reagieren; bleiben Antworten auch nach zweimaliger Aufforderung aus, droht eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro geahndet werden kann.
Zusätzlich ist geplant, die bisherige sechsmonatige Probezeit abzuschaffen. Bisher scheiden bis zu einem Drittel der Freiwilligen während dieser Zeit aus; dies sei nach der Gesetzesänderung nur noch aus schwerwiegenden Gründen möglich. Diese Änderung könnte das kürzlich gestiegene Interesse an einer Tätigkeit in der Bundeswehr wieder reduzieren.
Die Diskussionen um die Wehrpflicht haben bereits eine spürbare Auswirkung: Die Zahl der Kriegsdienstverweigerer ist gestiegen. Während im Jahr 2022 etwa 950 Anträge gestellt wurden, sind es in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits 1.363, wie das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben berichtet. Es bleibt abzuwarten, ob Pistorius mit seinem Entwurf oder Röttgen mit seiner Kritik erfolgreich sein wird, doch die Zahl der Verweigerer wird wahrscheinlich weiterhin ansteigen.
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