Von Rüdiger Rauls
Waschtag
Wenn politische Koalitionen scheitern, folgt häufig das öffentliche Austragen von Konflikten. Dies zeigt sich deutlich am Beispiel der Koalitionsbruch-Ankündigung von Olaf Scholz, der Finanzminister Christian Lindner vorwarf, wiederholt das Vertrauen gebrochen zu haben. Obwohl solche Aussagen medial wirksam sind, ist fraglich, ob sie die wahren Gründe für den Bruch darstellen. Doch der gemeinsame Wunsch nach einem makellosen Image nach der Trennung ist unverkennbar.
Das Ende der Koalition läutet eine politische Neuausrichtung und Vorbereitungen auf anstehende Wahlen ein. In dieser Phase wird von allen Parteien versucht, die eigene Rolle im Scheitern der Kooperation reinzuwaschen und die Schuld dem politischen Gegner zuzuschieben. Scholz macht Lindner schwere Vorwürfe, während Lindner den Kanzler der Erpressung bezichtigt.
Diese Auseinandersetzungen sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Eine tiefere Dimension erhält die Situation durch zeitgleiche globale Ereignisse, wie den Wahltriumph Donald Trumps in den USA. Dieser Sieg hat weitreichende Konsequenzen für Europa, insbesondere da er bereits angekündigt hat, die finanziellen Lasten in der Unterstützung der Ukraine stärker auf Europa zu übertragen.
Neue dramatische Herausforderungen
Europas Furcht vor einer erneuten Trump-Amtszeit ist groß, nicht zuletzt wegen drohender Handelsnachteile und höherer Militärausgaben. Diese Entwicklungen verschärfen nur die ohnehin vorhandene ökonomische und politische Prekarität in Europa, verstärkt durch interne Uneinigkeiten innerhalb Deutschlands über die finanzielle Haushaltsführung.
Der öffentlich ausgetragene Konflikt zwischen Scholz und Lindner beispielsweise entzündet sich besonders an der Frage der Schuldenpolitik. Während Scholz angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mehr finanziellen Spielraum fordert und dafür auch eine Aussetzung der Schuldenbremse in Erwägung zieht, hält Lindner strikt an diesem finanzpolitischen Instrument fest. Der Vorwurf, Lindner habe harte Entscheidungen vermieden, steht im Raum. Trotz ihrer Konflikte sind sich beide Politiker der kritischen wirtschaftlichen Lage Deutschlands bewusst. Sie wissen, dass jede finanzielle Entscheidung die Zukunft des Landes signifikant beeinflussen wird.
Kapitalismus in der Krise
Die tiefere Krise des westlichen Kapitalismus zeigt sich in der zunehmenden Abhängigkeit von der Bonität und den Finanzmärkten. Die Schuldendebatte zwischen Scholz und Lindner spiegelt eine grundsätzliche Auseinandersetzung über die Finanzstrategie führender kapitalistischer Staaten wider. Wie auch immer die Entscheidung ausfallen mag, sie wird bedeutende Auswirkungen auf die politische Handlungsfähigkeit Deutschlands und seine internationale Position haben.
Es steht fest, dass die finanziellen Herausforderungen, vor denen westliche Demokratien stehen, kaum noch allein aus eigener Kraft bewältigt werden können. Dies macht deutlich, wie dringend notwendig eine umfassende strategische Neuausrichtung der Finanzpolitik ist.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
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