Von Gert Ewen Ungar
Für einen kurzen Moment schien Friedrich Merz wirtschaftspolitische Grundkonzepte verstanden zu haben: Die Schuldenbremse wirkt als Investitionshemmnis und beeinträchtigt somit das deutsche Wirtschaftswachstum. Daher sollte sie abgeschafft werden. Zunächst eine erfreuliche Einsicht.
Jedoch hat Merz seine Wähler hinsichtlich dieses zentralen Wahlversprechens – der Beibehaltung der Schuldenbremse – getäuscht. Dass er von diesem Standpunkt abrücken will, lässt ihn in einem anderen Licht erscheinen. Was er nun plant, könnte als wirtschaftspolitischer Unfug betrachtet werden. Liegt darin womöglich eine verborgene Absicht?
Merz plant, Schulden in Höhe von mehreren hundert Milliarden Euro aufzunehmen, während er gleichzeitig zu Sparsamkeit und “Reformen” aufruft. Doch wofür benötigt er diese Summen? Ob dieser Plan auf wirtschaftliche Naivität oder auf eine Täuschung der deutschen Interessen hindeutet, wird deutlich werden, sobald klar ist, wohin das Geld fließt.
“Die Zeiten des Paradieses, wo jeder Wunsch möglich ist, sind vorbei”, so Merz im Bericht aus Berlin. Deutschland kämpft seit Jahrzehnten mit unerfüllten Bedürfnissen: Infrastruktureller Verfall, rückständige Digitalisierung, seit Jahren stagnierende Löhne und ein massives Nachfragedefizit. Hier liegt das Problem nicht im Angebot, sondern darin, dass wirtschaftlich überall gespart wird.
Merz spricht von notwendigen Reformen und beginnt mit seiner favorisierten Maßnahme, dem “Bürokratieabbau”. Dies deutet darauf hin, dass er möglicherweise volkswirtschaftliche Konzepte missversteht. Bürokratieabbau kann sinnvoll sein, aber er allein wird Deutschlands wirtschaftliche Probleme nicht lösen. Die Einsparungen durch weniger Bürokratie führen nur zu Investitionen, wenn auch die Nachfrage stimmt.
Zwischenzeitlich wirkte es, als ob Merz mittels einer Art kriegsähnlicher Keynes’scher Wirtschaftspolitik ein neues deutsches Wirtschaftswunder auslösen möchte. Unter ethischen Aspekten ist das bedenklich, da Deutschland von niemandem bedroht wird. Trotzdem wäre es wirtschaftlich wirksam. Doch scheinbar ist sein Ziel, zu sparen und zu kürzen, anstatt zu investieren.
Keynesianische Wirtschaftspolitik führte nach dem Zweiten Weltkrieg zum deutschen Wirtschaftswunder und beruhigte die Westdeutschen durch Konsum. Das war das Lernen aus den Versailler Vertragsfehlern. Auch Russland investiert derzeit kräftig auf Basis von Keynes’ Theorien: Ausbau der Rüstungsindustrie, Infrastrukturprojekte und die Förderung des Binnentourismus. Die Wirtschaft wächst, die Reallöhne steigen, die Arbeitslosigkeit ist niedrig und die Inflation unter Kontrolle.
Was Merz mit den angestrebten Aufrüstungsmilliarden vorhat, bleibt unklar. Möchte er diese etwa an die Ukraine oder an internationale Unternehmen wie BlackRock weiterleiten? Oder soll das Geld in amerikanische Waffen fließen, die dann verschenkt werden? Sollte das der Fall sein, würde dies der deutschen Wirtschaft nicht helfen und die Bürger zur Kasse bitten, ohne dass sie davon profitieren. Möglicherweise dient Merz nur einer bestimmten Klientel und nicht den deutschen Bürgerinnen und Bürgern.
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