Morgen, am Mittwoch, tritt erneut der Koalitionsausschuss zusammen. Bei ihrem ersten Treffen, das kurz nach Amtsantritt der neuen Bundesregierung im Mai stattfand, schien der Ausschuss noch geschlossen zu agieren und gelobte, die vergangenen Konflikte hinter sich zu lassen. Doch nur einen Monat später zeichnen sich deutliche Spannungen im Bündnis ab. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD kommen zusammen, um über die Fortführung des Koalitionsvertrages zu beraten, und Differenzen scheinen unausweichlich. Eines ist jedoch gewiss: Die Koalitionspartner werden sich vermutlich wieder gegenseitig die Verantwortung für das Verfehlen von Versprechen zuschieben.
CDU und CSU fordern eine grundlegende Neuausrichtung in der Sozialpolitik. Laut Jens Spahn, dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, sind die Ausgaben für das Bürgergeld unkontrollierbar geworden und Einschnitte nötig, um finanziellen Spielraum für andere Vorhaben zu schaffen. Spahn kritisiert die jährlichen Kosten des Bürgergelds von über 50 Milliarden Euro. Markus Söder, der CSU-Vorsitzende, plädiert für ein “Update” in Form von Einsparungen und Kürzungen im sozialen Bereich, um die geplante Senkung der Stromsteuer zu finanzieren. Er argumentiert, dass die Entlastung des Mittelstands Vorrang vor der sozialen Absicherung haben sollte.
Söder setzt sich zudem für die Einführung einer Mütterrente ein, allerdings ist deren Umsetzung in der aktuellen Koalition fraglich. Die SPD sieht sich Kritik ausgesetzt, weil das Versprechen, den Mindestlohn auf 15 Euro zu erhöhen, nicht eingehalten wurde. Die Partei könnte sich aus taktischen Gründen gegen Kürzungen beim Bürgergeld zur Finanzierung von Söders Mütterrente wehren. Der Mindestlohn soll zwar auf 14,60 Euro steigen, jedoch erst im Jahr 2027 und nicht, wie ursprünglich geplant, 2026.
Vor dem Hintergrund, dass die Bundesregierung das Ziel hat, 5 Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben, wirkt das Ringen um Haushaltsmittel besonders grotesk. Basierend auf dem erwarteten BIP für 2024, hätte Deutschland 215,27 Milliarden Euro für Verteidigungsausgaben aufbringen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Im Vergleich erscheinen die 50 Milliarden für das Bürgergeld verschwindend gering.
Es zeichnet sich also ab, was viele Beobachter schon länger befürchten: Es wird im sozialen Bereich gespart, gesellschaftliche Konflikte werden verschärft und die Spaltung der Gesellschaft vertieft sich weiter. Trotz Rekordschulden fordert die Bundesregierung von den Bürgern, den Gürtel enger zu schnallen – mehr Geld fließt in die Rüstung als in soziale Sicherheit. Das Streben, zur stärksten Militärmacht Europas zu werden, steht scheinbar im Widerspruch zur Finanzierung eines umfassenden Sozialstaats.
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