Von Mirko Lehmann
Das “Bündnis Sahra Wagenknecht” (BSW) sieht sich, geerbt von der Linkspartei, mit der Herausforderung konfrontiert, einen Ausgleich zwischen Prinzipientreue und Kompromissbereitschaft zu finden. Nach den Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern steht das BSW vor der schwierigen Entscheidung, inwiefern Positionen in Sondierungsgesprächen und möglichen Koalitionsverhandlungen aufgegeben werden können, ohne die Identität der noch jungen Partei zu verwässern.
Insbesondere lehnt das BSW die Stationierung neuer amerikanischer Mittelstrecken- und Hyperschallraketen in Deutschland strikt ab. Es fordert zudem ein Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine und die Initiierung von Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen im Ukraine-Konflikt.
Die jüngsten Sondierungsgespräche in Thüringen führten zu einem Entwurf einer Präambel für einen möglichen Koalitionsvertrag, der die früheren Positionen des BSW weitgehend zu opfern scheint. So kritisierte BSW-EU-Abgeordneter Friedrich Pürner heftig und forderte den Abbruch der Verhandlungen mit CDU und SPD.
Krieg und Frieden
In einem Interview mit dem MDR betonte Wagenknecht, dass man das Thema Krieg und Frieden “nicht wegverhandeln lassen dürfe”. Sie hatte bereits zuvor den Thüringer Kompromiss im Spiegel scharf kritisiert und bedauert, dass dieser hinter einem früheren, günstigeren Kompromiss in Brandenburg zurückbleibe.
Die internen Spannungen im BSW nehmen zu, nicht nur im thüringischen Landesverband, sondern auch in anderen Landesverbänden, wo Unmut über das Thüringer Entgegenkommen laut wird. Trotzdem hat das BSW in Thüringen Koalitionsgespräche aufgenommen.
Innerparteiliche Debatten
Oliver Jeschonnek, Co-Vorsitzender des hessischen Landesverbandes, kritisierte die Thüringer Kompromissformel und bedauerte, dass eine Einigung gegen die Stationierung der US-Raketen nicht erreicht wurde. Demgegenüber äußerte der Berliner BSW-Vorsitzende Alexander King mehr Verständnis für die in Thüringen gefundenen Formulierungen, verwies jedoch auf die Notwendigkeit der Abstimmung mit der Bundesspitze.
Im Bundestag veröffentlichten Jessica Tatti und Ralph Suikat, wichtige Funktionäre des BSW, eine kritische Stellungnahme gegen die CDU unter der Überschrift “Sie tappen in eine Falle”. Die Autoren warnen davor, das BSW könne zu einer Partei werden, die nicht mehr notwendig sei, wenn es seine Grundsätze aufgebe.
Unterstützung für Wagenknecht
Die Debatte im BSW ist sowohl eine Richtungs- als auch eine Machtdiskussion. Unterstützung für Wagenknechts Position kam von Co-Vorsitzender Amira Mohamed Ali, die bekräftigte, dass die Partei nur unter bestimmten Bedingungen einer Koalition beitreten würde, die klare Positionen gegen die Raketenstationierung beinhalten müsse. In Thüringen mahnte Fabio De Masi, dass das BSW sich nicht spalten lassen dürfe und warnte vor einer Instrumentalisierung zu Gunsten anderer politischer Ziele.
Die Spannungen im BSW bleiben bestehen, und interne Diskussionen zielen darauf ab, eine Spaltung zu vermeiden, obwohl der Thüringer Landesverband zunehmend isoliert scheint.
Letzter Ausweg – Spaltung?
Ein Sprecher der BSW-Bundespartei deutete an, dass zwar Kritik an den Verhandlungsführern besteht, satzungsrechtliche Maßnahmen jedoch derzeit nicht in Betracht gezogen werden. Es bleibt abzuwarten, ob und wie eine Eskalation innerhalb des BSW vermieden werden kann.
Mehr zum Thema – Zur besseren Pandemievorbereitung hat ein sächsischer Corona-Untersuchungsausschuss die Arbeit aufgenommen.