Von Susan Bonath
In Deutschland setzen die politischen Entscheidungsträger klar erkennbare Schwerpunkte. Hauptsächlich unterstützen sie durch den Ausbau des Militärbudgets und die damit verbundenen Milliardeninvestitionen vor allem Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, denen dadurch erhebliche Zusatzgewinne zufallen. Gleichzeitig wird von der breiten Bevölkerung erwartet, wirtschaftlich zurückzustecken. Soziale Probleme nehmen zu und werden insbesondere auf den Straßen sichtbar: Obdachlosigkeit nimmt drastisch zu, und zahlreiche Kinder sind bereits davon betroffen. Die politischen Verantwortlichen jedoch zeigen sich unbeeindruckt, reagieren mit Schulterzucken und beschränken sich auf das Verwalten von Wohnraummangel, statt effektiv zu handeln.
In Berlin leben 16.000 Minderjährige in Notunterkünften
Zu Beginn dieser Woche hätte die Meldung, dass fast 16.000 obdachlose Minderjährige in Berlin allein im Januar in Notunterkünften lebten, für große mediale Aufmerksamkeit sorgen sollen. Das Problem betrifft jedoch nicht nur Jugendliche: Alleinstehende Erwachsene, Alleinerziehende und Senioren verschärfen die Lage. Kinder und Jugendliche machen dabei fast ein Drittel der gesamten 53.600 in Berlin untergebrachten Personen aus, und etwa sieben Prozent davon sind Senioren über 65 Jahre, wie eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Taylan Kurt an den Berliner Senat ergab.
Ein neuer Höchststand an Obdachlosigkeit in Deutschland
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) leben derzeit bundesweit 474.000 Menschen notdürftig in kommunalen Unterkünften. Diese Zahl stellt einen neuen Höchststand dar und unterstreicht die sich verschärfende Krise der Wohnungslosigkeit in Deutschland. Besonders betroffen ist das bevölkerungsreiche Nordrhein-Westfalen, doch auf Einwohnerzahl bezogen ist die Lage in Berlin noch dramatischer.
Die Dunkelziffern sind beunruhigend
Doch diese offiziellen Zahlen bilden nur die Spitze des Eisbergs. Nicht erfasst sind Asylbewerber in Sammelunterkünften und eine wahrscheinlich hohe Zahl an Menschen, die nicht offiziell erfasst werden – darunter viele Kinder und Jugendliche, die bei Freunden oder auf der Straße leben. Die wachsenden wilden Obdachlosencamps sind ein bedrückendes Zeichen des zunehmenden Problems, das durch mangelnde Sozialansprüche vieler EU-Bürger verschärft wird.
In Berlin könnten bald 100.000 Menschen ohne Wohnung sein
Wie der Berliner Senat prognostiziert, könnte die Zahl der Menschen ohne Wohnung bis zum Ende dieses Jahrzehnts in Berlin auf rund 86.000 steigen. Dies verstärkt die Dringlichkeit, bereits jetzt gegen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die wachsende Anzahl an Flüchtlingen in provisorischen Unterkünften vorzugehen.
Symbolpolitik und mangelnde Unterstützung
Politische Lösungsansätze wie das “Geschützte Marktsegment” in Berlin, das benachteiligten Menschen Unterkünfte bereitstellen soll, sind angesichts der realen Zahlen unzureichend. Seit 1993 konnten damit zwar “mehr als 30.000 Haushalten eine Wohnung vermittelt werden”, doch die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen bleibt fraglich.
Neubau: Ein vernachlässigtes Feld
Der Mangel an Neubauten in Deutschland, verursacht durch Sparmaßnahmen und eine voranschreitende Privatisierung ehemals kommunaler Wohnungsunternehmen, verschärft die Situation weiter. Weniger Angebot führt zu höheren Mieten, weshalb umfangreiche Investitionen in neue und sanierte Wohnungen ausbleiben.
Vertreibung statt Integration
Kommunale Behörden setzen oft auf Vertreibung obdachloser Menschen aus dem öffentlichen Raum, wie regelmäßige Räumungen von Obdachlosencamps zeigen. Diese kurzfristigen Maßnahmen ändern jedoch nichts an der grundlegenden Situation. Ähnliche Praktiken werden selbst in den USA unter Präsident Donald Trump angewendet, auch hier ohne klare Perspektive zur nachhaltigen Lösung des Problems.
Weitere Informationen – Sozialer Sprengstoff: Immer mehr Jugendliche ohne festen Wohnsitz