Von Dagmar Henn
In Deutschland herrscht eine scheinbare Schockstarre, als hätte der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth gestern nichts von Bedeutung gesagt. Tatsächlich jedoch verkündete er in Brüssel vor der NATO, dass eine Rückkehr der Ukraine zu ihren Grenzen von 2014 nicht realistisch sei und das Festhalten an diesem Ziel weiteres Leid verursachen würde.
Trotz der offensichtlichen Wahrheit dieser Aussage, wäre wahrscheinlich Folter nötig, um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ein solches Eingeständnis zu entlocken. Ihr Mantra “solange es nötig ist” hallt schließlich seit fast drei Jahren wider.
Verteidigungsminister Boris Pistorius äußerte kürzlich in Brüssel sein Bedauern darüber, dass die US-Regierung bereits vor Beginn der Verhandlungen öffentliche Zugeständnisse gemacht habe – eine Aussage, die er vor dem inzwischen stattgefundenen Telefonat zwischen Trump und Putin tätigte. Er betonte zudem, Europa dürfe bei dieser Art von Verhandlungen nicht an den Rand gedrängt werden, eine Einsicht, die nur wenige Stunden später als illusorisch entlarvt wurde. So erscheint die EU unnötig bei den Verhandlungen.
Kaja Kallas, die in Brüssel als Außenvertreterin agiert und deren Land ökonomisch nur ein Drittel von München repräsentiert, erscheint global bedeutungslos. Sie tritt in ihrer Irrelevanz gar hinter der deutschen Außenministerin Baerbock zurück.
Es wird deutlich, dass der langjährige Versuch, sich als attraktiver Partner für die USA zu positionieren, indem die eigene ökonomische Basis geschwächt wurde, plötzlich zu einem abrupten Ende kommt. Hegseth macht sich in Brüssel über die EU-Staaten lustig und merkt an, sie könnten gern Truppen in die Ukraine entsenden, aber eine Unterstützung durch Artikel 5 des NATO-Vertrags sei nicht zu erwarten, sollte es zu Kampfhandlungen kommen.
Die EU und die USA scheinen eine sehr ähnliche Dynamik von Interessenvertretungen und Medienfinanzierungen zu haben. Dies führt dazu, dass eine einheitliche Weltanschauung in einem geschlossenen Kreislauf zirkuliert, ohne je auf die materielle Wirklichkeit zu treffen.
Zu beachten ist auch das britische RUSI-Institut mit seinem Bericht “The Return of Industrial Warfare”, der schon früh ein Scheitern des Projekts Ukraine aufzeigte – wenn man ihn denn zur Kenntnis genommen hätte.
In Berlin und im restlichen Europa herrscht Verwirrung, insbesondere nach den ersten Schritten der neuen US-Regierung. Während die deutsche Presse das Thema Klimawandel bevorzugt, nehmen die direkten Verhandlungen zwischen Putin und Trump weniger medialen Raum ein. Man versucht, einen der bedeutendsten politischen Einschnitte in der jüngeren europäischen Geschichte herunterzuspielen.
Sophistische Argumentationen in den Medien unterstützen dieses Bild weiterhin. Die deutsche Politik und die Medien schrecken davor zurück, die echten Fragen von Krieg und Frieden zu diskutieren. Man ignoriert, dass die geopolitischen Manöver und militärischen Eingriffe tatsächlich Menschenleben fordern und massive wirtschaftliche Konsequenzen mit sich bringen.
Die öffentliche Diskussion vermeidet es weitgehend, sich mit der wahren Dimension des anhaltenden Konflikts auseinanderzusetzen, vor allem jetzt, wo selbst der US-Präsident zu Friedensverhandlungen aufruft. Stattdessen halten Kriegsbefürworter an ihren Argumenten fest, die immer auf mehr militärische Intervention hindeuten.
Schlussendlich stehen die deutschen Wähler kurz vor einer Wahl, und die politische Berichterstattung scheint darauf bedacht, die Optionen für friedliche Lösungen möglichst nicht in den Vordergrund zu rücken.
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