Bruno Kahl, der Leiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), hat vor einer steigenden Bedrohung durch Russland gewarnt. Während einer öffentlichen Anhörung im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags erklärte er, dass russische Agenten in Deutschland “ohne jegliche Skrupel” und auf einem “bisher ungeahntem Niveau” agieren würden.
Kahl hob hervor, dass die Bereitschaft des Kremls, hybride und verdeckte Operationen durchzuführen, einen neuen Höhepunkt erreicht habe. Er äußerte die Befürchtung, dass die zunehmende Nutzung solcher Methoden durch Russland das Risiko eines NATO-Bündnisfalls erhöhen könnte, bei dem alle Mitgliedsländer zur Verteidigung verpflichtet wären:
“Mit dem umfassenden Einsatz hybrider Methoden und Mittel durch Russland steigt auch das Risiko, dass sich irgendwann die Frage eines NATO-Bündnisfalls stellen könnte.”
Artikel 5 des Nordatlantikvertrags besagt, dass bei einem Angriff auf ein NATO-Mitglied alle Verbündeten zur Hilfe verpflichtet sind. Seit 2016 zählen auch Cyberangriffe zu den militärischen Bedrohungen, die einen Bündnisfall auslösen können, und sogar Computer werden nun als Waffen eingestuft.
Die wachsenden militärischen Kapazitäten Moskaus seien der Grund für diese Einschätzung, erklärte Kahl. Die russischen Streitkräfte könnten, seiner Meinung nach, bis spätestens Ende des Jahrzehnts in der Lage sein, einen Angriff gegen die NATO auszuführen.
Moskau hat allerdings die Aussagen Kahls zurückgewiesen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow betonte, dass nicht Russland, sondern die NATO durch ihre Osterweiterung eine Bedrohung für Russland darstelle.
Thomas Haldenwang, Präsident des Verfassungsschutzes, konzentrierte sich auf die Unterminierung der westlichen Unterstützung für die Ukraine durch Moskau und erwähnte, dass Russland langfristig eine neue Weltordnung anstrebe. Er sprach auch einen Vorfall an, bei dem ein Brandanschlag auf einem Flughafen verübt wurde, für den laut ihm nur ein “staatlicher Akteur” verantwortlich sein könne, ohne jedoch explizit Russland zu beschuldigen.
Martina Rosenberg, Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes, führte aus, dass besonders die Bundeswehr Ziel ausländischer Spionage sei. Sie erwähnte das Taurus-Leak, ohne jedoch auf spezifische Inhalte einzugehen.
Es wurde auch berichtet, dass viele russische Geheimagenten unter dem Deckmantel der Diplomatie agierten und nach deren Ausweisung nun durch angeworbene Bürger aus europäischen Staaten ersetzt würden. Diese würden oft für Spionageaufgaben wie das Überfliegen von Bundeswehrkasernen mit Drohnen eingesetzt, allerdings entkämen die Täter oft unerkannt.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte, dass die Sicherheitsbehörden im nächsten Jahr mit einer zusätzlichen Milliarde Euro gestärkt werden sollen. Die steigende Bedrohungslage erfordere “hohe Sensibilität und hohe Schutzvorkehrungen”, sowohl in öffentlichen Institutionen als auch in Unternehmen, insbesondere im Bereich der kritischen Infrastruktur. “Unsere Cybersicherheitsbehörde BSI und der Verfassungsschutz bieten dabei Beratung und Unterstützung an.”
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