Von Dagmar Henn
Betrachtet man die Geschichte des Friedensnobelpreises, der nicht selten auch an bekannte Kriegsbefürworter verliehen wurde, wirkt es kaum überraschend, dass auch der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels seine ursprüngliche Bedeutung verloren hat. In diesem Jahr sollte er eher als Kriegspreis bezeichnet werden, denn mit Frieden scheint die diesjährige Preisträgerin Anne Applebaum wenig gemein zu haben; sie steht publizistisch auf einer Linie mit Viktoria Nuland.
Die Auszeichnung Applebaums wird in Deutschland kontrovers diskutiert, nicht zuletzt wegen ihres Ehemanns, Radoslaw Sikorski, dem aktuellen polnischen Außenminister. Bekannt wurde Sikorski durch seinen denkwürdigen Tweet „Thank you, USA“ nach der Sprengung von Nord Stream.
Die Entscheidung, Applebaum während der Buchmesse am 20. Oktober mit diesem Preis zu ehren, könnte man als weiteren Ausdruck eines intellektuellen und moralischen Niedergangs abtun. Doch da der Preis weiterhin große mediale Aufmerksamkeit generiert und Diskussionen um Applebaums Positionen entfacht, wird die Kritik an der Preisvergabe relevant. Während Applebaum ausführlich über Putin, Russland und die Ukraine spricht, bleiben wesentliche Fragen, insbesondere ihre Haltung zu Themen wie Gaza, unbeantwortet.
Applebaum, Mitglied im Vorstand des auch von der CIA unterstützten National Endowment for Democracy, ist bekannt dafür, die US-Außenpolitik zu unterstützen. Ihre Rolle als ‘liberaler Falke’ wird evident, wenn sie beispielsweise in einem Interview mit der FAZ über frühere Preisvergaben spricht und dabei den historischen Aktivisten Carl von Ossietzky ungenau darstellt. Ossietzky, der für seine Enthüllungen der Schwarzen Reichswehr bekannt ist und wegen seiner journalistischen Tätigkeit inhaftiert wurde, bekam posthum den Friedensnobelpreis, konnte jedoch gegen das aggressiv werdende Nazideutschland kaum noch aktiv sein.
Obwohl die Stadt Oldenburg heute den Preis verleiht, bleibt die Wertschätzung für Personen wie Ossietzky in der heutigen Zeit oft gering. Applebaum nutzte ihre Dankesrede zur Preisannahme, um das heutige Russland mit Nazideutschland zu vergleichen, und zeigt damit eine eindeutige Positionierung, die kritisch hinterfragt werden muss.
Die Art und Weise, wie Applebaum Themen wie Demokratie und Autokratie anspricht, lässt viele Fragen offen. Ihre Kommentare spiegeln oft eine Sichtweise wider, die große Konzerne und oligarchische Strukturen kritisiert, ohne dabei auf die parallelen Zustände im Westen hinzuweisen.
Zusammengefasst ist die Vergabe des Friedenspreises an Anne Applebaum eine ironische Entscheidung, die die ursprüngliche Intention des Preises in Frage stellt und deutlich macht, dass der Preis eher ein politisches Instrument als eine echte Anerkennung des Engagements für den Frieden ist.
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