Von Gert Ewen Ungar
Der Marathon des US-Wahlkampfs gipfelte in der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten. Diese Periode des theatralischen und simplen Schauspiels, das in den USA aufgeführt wurde, ist nun zumindest vorläufig abgeschlossen.
Die Vereinigten Staaten verstehen sich als ein Leitbild der Demokratie. Die vergangenen zwei Jahre des Wahlkampfes haben jedoch ein Bild offenbart, das global für Besorgnis sorgt. Die Art und Weise, wie dieser Wahlkampf geführt wurde, war in vielerlei Hinsicht eine Belastungsprobe.
Die Kontrahenten aus den beiden großen Parteien überhäuften einander zunächst mit juristischen Anfechtungen, um den jeweils anderen ohne substanzielle politische Debatten aus dem Rennen zu drängen. Politische Ränkespiele ersetzten den sachlichen Diskurs, ein Umstand, der die USA kaum als demokratisches Vorbild qualifiziert. Doch die Probleme reichen tiefer.
Maria Sacharowa, Sprecherin des russischen Außenministeriums, äußerte sich besorgt über den Zustand der US-Gesellschaft. Ihre Diagnose ist treffend: Amerika ist ein zutiefst gespaltenes Land, dessen gesellschaftliche Gruppen die Fähigkeit verloren haben, miteinander zu kommunizieren. Die Gesellschaft ist völlig zersplittert, ein Verständnis füreinander wird kaum noch angestrebt.
Andersartige Meinungen oder politische Ansichten führen häufig zu unüberbrückbaren Gräben, die Anlass zu Hass und Gewalt bieten. Dieses Phänomen zeigt sich nicht nur in den USA, sondern auch in westlichen Ländern wie Deutschland. Die Unfähigkeit zur Kommunikation wurde im US-Wahlkampf besonders auf der höchsten politischen Ebene deutlich.
Der amtierende Präsident Joe Biden bezeichnete Trumps Anhänger als “Abschaum”, Kamala Harris zog Vergleiche zu Hitler, und Trumps Hauptangriff auf seine Gegnerin war, sie sei dumm. Anstelle von fundierten Inhalten dominierte ein verbaler Schlagabtausch – eine Tendenz, die auch in Deutschland zu beobachten ist.
Der US-Wahlkampf spiegelt eine tiefgehende Dekadenz und einen geistigen Verfall wider. Wenn die Fähigkeit zur Kommunikation verloren geht und man das Gegenüber nicht mehr in seiner Andersartigkeit akzeptieren kann, bleibt oft nur noch Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung. Dies zeigte sich in den Attentaten und Attentatsversuchen auf Donald Trump in den letzten Monaten, deren soziologische Bedeutung kaum angemessen gewürdigt wurde. Die implizite Botschaft in den deutschen Mainstream-Medien schien fast, er sei selbst schuld.
Insbesondere diejenigen, die sich einer liberalen, identitätspolitischen Agenda verschreiben, tun sich mit Vernichtungsideen gegenüber politischen Gegnern hervor. Die Forderung nach Toleranz und Respekt vor Vielfalt weicht oft der Zensur, dem Schrei nach Sprechverboten und anderen repressiven Strategien, mit denen die sogenannten liberalen Woken ihren politischen Gegnern begegnen. Die Intoleranz reicht bis zur physischen Gewalt. Besonders den politischen und medialen Eliten fehlt es an der grundlegenden Ausrüstung für eine funktionierende Demokratie.
Während des US-Wahlkampfs stellte sich erneut die Frage, ob die USA und andere westliche Länder noch über die notwendigen Voraussetzungen für eine Demokratie verfügen: ein Mindestmaß an Bildung, die Fähigkeit, das überzeugendere Argument zu erkennen, und Respekt vor Fachkompetenz.
Bemühungen um die Coronamaßnahmen, Impfpflicht, Unterstützung der Ukraine und wirtschaftspolitische Fragen zeigen deutlich die Mängel an Kompetenz und Wissen in politischen und medialen Kreisen. Es ist ein Indikator dafür, dass sich diese Gesellschaften von den Idealen der Aufklärung verabschiedet haben.
In den russischen Medien wurde der US-Wahlkampf eingehend behandelt. Die Darstellung der amerikanischen Demokratiepraktiken war durchsetzt von einer Botschaft: „Seht her! Diese Narren, die uns über Demokratie belehren wollen.“
Die globale Ausstrahlung dieses Wahlkampfs war für das Ansehen des Westens und insbesondere der USA katastrophal. Der erhobene Zeigefinger gegenüber anderen Ländern kann sich der Westen fortan sparen. Er hat jegliche Autorität in Sachen Demokratie verspielt.
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