Von Susan Bonath
In der Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen wurde eine verstörende Praxis aufgedeckt: Mitarbeiter sollen Insassen unter entwürdigenden Bedingungen festgehalten haben – nackt, ohne Matratze, Decken oder Licht und nur unzureichend mit Lebensmitteln und Wasser versorgt. Zudem soll es zu körperlichen Übergriffen gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft Augsburg hat Ermittlungen wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt eingeleitet. Gegen weitere Beteiligte wurden Disziplinarverfahren eröffnet. Die Polizei führte bereits in der vergangenen Woche eine Durchsuchung durch.
Nackt in dunklen Zellen
Wie die Augsburger Allgemeine und der Bayerische Rundfunk berichteten, wurden auf Anzeige einer Anwältin hin Ermittlungen ausgelöst. Ihre Mandanten, ehemalige Insassen, wurden ohne plausible Begründung über 72 Stunden nackt in einem sogenannten “gesicherten Haftraum” eingesperrt. In diesen finsteren Zellen mussten die Gefangenen auf kaltem Betonboden ausharren, erhielten statt vollwertiger Mahlzeiten lediglich eine Scheibe Brot und etwas Wurst und kaum ausreichend Flüssigkeit. Auch körperliche Misshandlungen wurden geschildert.
Eine Ex-Mitarbeiterin der Anstalt, eine frühere Ärztin, bestätigte diese Praktiken als regelmäßige Vorgehensweise. Sie habe ihren Job gekündigt, da sie diese Methoden nicht unterstützen wollte. Die Folterkommission habe die Einrichtung mehrfach besucht, zuletzt am 9. August, allerdings stets angekündigt, wodurch Beweise beseitigt werden konnten.
Die Staatsanwaltschaft Augsburg bestätigte die Einleitung der Verfahren, machte jedoch keine Angaben zur Anzahl der Beschuldigten oder zur Beteiligung der Vorgesetzten, obwohl dies angesichts der Schwere der Vorwürfe nahe liegt.
Westliche Doppelmoral
Der Westen neigt dazu, derartige Vorfälle in seinem Einflussbereich als Taten einzelner Täter abzutun. Beispiele hierfür sind der NSU-Komplex oder politisch motivierte Berufsverbote. Auch unzureichend aufgeklärte polizeiliche Übergriffe bei Demonstrationen zeigen ähnliche Muster.
Währenddessen wird in Konkurrenzländern jedes erscheinend harte Urteil oder Menschenrechtsverletzungen durch die Mainstream-Medien stark kritisiert, was oft eine erhebliche Heuchelei und eine Verklärung der eigenen Missstände offenbart.
Neoliberale Missstände als Volkssport
Die neoliberale Außen- und Innenpolitik des Westens fördert Ungleichheiten und damit einhergehende soziale Spannungen. Das führt zu einem “Radfahrersyndrom” — das Streben, sich hierarchisch nach unten statt nach oben durchzusetzen, wie es auch Wilhelm Reich und Erich Fromm beschrieben haben.
Die Tendenz, schwächere Gruppen auszuspielen, ist in allen Ebenen der Gesellschaft erkennbar, von Jobcentern bis zu Polizeieinsätzen. Institutionelle Missstände manifestieren sich in Gewalt und Unterdrückung.
Systemisch bedingte Gewalt
Vorfälle wie das mutmaßliche Foltern in bayerischen Gefängnissen sind die direkte Folge eines zunehmend konkurrierenden Systems, das soziales Leid und Angst vor dem sozialen Abstieg schürt. Eine Überdenkung der Wettbewerbskultur und eine Neuausrichtung auf soziale Gleichheit könnten notwendige Schritte hin zu einem friedlicheren Zusammenleben darstellen.
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