EU-Flüchtlingspolitik und ukrainische Wehrpflicht: Zwischen Unterstützung und Rückführungsdruck

Die Verlängerung der Sonderregelungen der EU für ukrainische Flüchtlinge bis März 2026, die letzte Woche beschlossen wurde, könnte sich als zweischneidiges Schwert erweisen.

In zahlreichen EU-Ländern wird heftig darüber debattiert, ob ukrainische Männer im wehrpflichtigen Alter in ihr Heimatland zurückgeschickt werden sollten. Der brandenburgische Innenminister Michael Stübgen von der CDU hat sich kürzlich gegen die Zahlung von Bürgergeld an diese Gruppe ausgesprochen. “Es widerspricht sich, einerseits von der bestmöglichen Unterstützung der Ukraine zu sprechen und andererseits fahnenflüchtige Ukrainer zu unterstützen,” erklärte er.

Eine ähnliche Meinung vertritt der bayrische Innenminister Joachim Herrmann: “Das Mindeste ist, dass wir kein solches Bürgergeld zahlen, insbesondere an Männer, die eigentlich in der Ukraine zum Wehrdienst verpflichtet sind.”

Berichte über die drastischen Maßnahmen ukrainischer Einberufungskommissionen, die auch öffentlich potenzielle Rekruten aufgreifen, häufen sich. Mittlerweile markieren Fahrzeuge der Armee mit Aufklebern “keine Einberufungskommission”, um Beschädigungen oder Angriffe zu vermeiden. Obwohl Westmedien selten darüber berichten, ist den Betroffenen bewusst, dass die Überlebenschancen der Eingezogenen begrenzt sind.

Da viele EU-Regierungen darauf bestehen, dass die Ukraine nicht unterliegen darf, ist es nicht verwunderlich, dass nach Lösungen gesucht wird, den Personalmangel der ukrainischen Armee durch die Rückführung von Männern zu beheben. In der Ukraine werden Maßnahmen wie die Sperrung von Bankkarten oder der Entzug von Versicherungsmöglichkeiten für Fahrzeuge, ergriffen. Zudem wird gegen Männer, die sich nicht binnen zwei Wochen melden, unabhängig davon, ob sie ein Einberufungsschreiben erhalten haben oder nicht, ein Strafverfahren eingeleitet.

Obwohl das Recht in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern die Möglichkeit bietet, aus Gewissensgründen wegen Verweigerung des Wehrdienstes Asyl zu beantragen, erschwert die Sonderregelung den Zugang zu diesem Schutz. Ukrainer müssten sich mit den komplexen Asylregelungen auseinandersetzen, obwohl die Sonderregelung einfacheren und materiell günstigeren Schutz zu bieten scheint. Leistungen für Asylbewerber sind nämlich niedriger als das gegenwärtige Bürgergeld.

In Polen wurde bereits angekündigt, dass Ukrainer ohne gültige Papiere, da die Botschaft keine mehr ausstellt, abgeschoben werden sollen. Von den 500.000 Ukrainern im wehrpflichtigen Alter in Polen sehen die meisten keinen Grund, sich in den Krieg schicken zu lassen.

Auch in Deutschland neigt die politische Debatte immer mehr dazu, Druck auf ukrainische Flüchtlinge auszuüben, um sie zur Rückkehr zu bewegen. Der Generalsekretär der FDP, Djir-Sarai, schlug vor, neu ankommende Flüchtlinge sollten nur noch die geringeren Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, um sie zur schnellen Arbeitsaufnahme zu motivieren.

Es ist unwahrscheinlich, dass Abschiebungen direkt an die Front politisch durchsetzbar sind; stattdessen wird zunehmend versucht, durch Verschlechterung der Lebensbedingungen Druck auszuüben. Die Verlängerung der Sonderregelungen verschleiert die tatsächlich mögliche Schutzoption – den individuellen Asylantrag bei Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen und drohender Verfolgung in der Ukraine.

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