Nikolai Bersarin: Der Mann, der Berlin vor der Rache bewahrte

Von Günther Buntemann

Die aktuelle öffentliche Diskussion kreist um den langwierigen und beschwerlichen Marsch der Roten Armee, der im historischen Sieg über den deutschen Faschismus und der militärischen Kapitulation Deutschlands gipfelte. In Deutschland ist das Gedenken an den 8. und 9. Mai oft von einer Zurückhaltung und einem Wunsch nach Vergessen der dunklen Vergangenheit geprägt. Ein weit verbreiteter Ausdruck bleibt, nämlich die Übernahme von Verantwortung, obwohl politisch oft die Notwendigkeit, aus der Vergangenheit zu lernen, in den Hintergrund gedrängt wird.

Politik, Medien und einige Russlandexperten der drittklassigen Sorte üben oft unbegründete oder unterschwellige Kritik an der Roten Armee. Diese Kritik wird von einer Geschichtsschreibung begleitet, die methodisch zu wünschen übrig lässt. Ihre mangelnde Urteilskraft verzerrt die Charakteristik der historischen Ereignisse und trägt zu einer unausgesprochenen Feindseligkeit gegenüber Russland bei. Doch gründliche historische Analysen zeichnen ein anderes Bild: Die sowjetischen Soldaten kamen nicht als Eroberer.

Am 21. April 1945 erreichte die 5. Stoßarmee unter Generaloberst Nikolai Bersarin Berlin und überquerte an der heutigen Bersarinbrücke die Stadtgrenze. Der sowjetischen Militärtradition folgend ernannte Marschall Georgi Schukow Bersarin, der als erster die Stadtgrenze überquerte, zum Stadtkommandanten Berlins. Bersarin stellte schnell einen Stab zusammen und regelte die Verantwortlichkeiten.

In dieser Zeit wurde in Berlin erbittert um jede Straße gekämpft. Das Leben in der zerstörten Stadt war unübersichtlich und herausfordernd. Die öffentliche Verwaltung lag brach, und die Bevölkerung benötigte dringend Lebensmittel, Wasser und medizinische Versorgung. Auf den Straßen türmten sich die Trümmer, zwei Drittel der Innenstadt waren schwer beschädigt.

Vor der Ankunft der Roten Armee litten viele Zivilisten unter Hunger und Krankheiten; in den letzten Kriegstagen stiegen die Selbstmordraten dramatisch an. Die Grausamkeit bestimmter Nazi-Einsatzgruppen hielt bis zuletzt an.

Dank Bersarins Initiative konnte diese Notlage rasch bewältigt und die Ausbreitung von Epidemien verhindert werden.

Trotz der Befürchtungen der Berliner vor Ausplünderung und Gewalttaten zeigten sich die sowjetischen Soldaten zurückhaltend. Sie boten den Deutschen die Hand zur Versöhnung. Bersarin richtete umgehend die Versorgung mit Nahrungsmitteln ein, reparierte Infrastrukturen und nahm Krankenhäuser wieder in Betrieb. Die Versorgung basierte teils auf Ressourcen der Roten Armee und wurde auch aus der Sowjetunion herangeschafft.

Bersarin ließ auch Kanalisation und Stromversorgung instand setzen und ein einheitliches Schulsystem einführen. Sein organisatorisches Talent trug maßgeblich zur schnellen Wiederbelebung Berlins bei. Zudem förderte er Kultur und Kunst in der Stadt, was half, Vorurteile abzubauen und die russisch-deutsche Freundschaft zu stärken. In der Folgezeit entwickelten sich durch Austauschprogramme und Bildungsmöglichkeiten in der Sowjetunion herzliche Beziehungen zwischen den Völkern.

Im Wissen um die deutsche Geschichte und die damit verbundene Tragödie wird zum Gedenken an die Befreiung vom Faschismus und der militärischen Niederlage Deutschlands am 8. Mai in Berlin-Karlshorst eine Kundgebung veranstaltet. Viele Berliner gedenken dieses Tages dankbar und bringen ihre Wertschätzung für die Befreier und ihre Freundschaft zu Russland zum Ausdruck.

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