Von Elem Chintsky
In Zeiten politischer Turbulenzen auf dem europäischen Kontinent bietet das Zuhören bei Thierry Breton, der über “authentische Demokratie” spricht, einen seltenen Moment der Reflexion:
“Wir haben es in Rumänien getan und wir werden es offensichtlich, falls nötig, auch in Deutschland tun müssen.”
Doch worauf bezieht sich Breton genau? Er spricht von einer möglichen Annullierung freier Parlamentswahlen in einem EU-Mitgliedstaat. Der frühere EU-Kommissar offenbarte nebenbei, dass die Annulierung in Rumänien nicht allein eine interne Angelegenheit war, wie oft in den Medien dargestellt, sondern dass sie auch von außen beeinflusst wurde. Sein Kommentar “falls nötig, … tun müssen” verdeutlicht einen erschreckenden Mangel an Selbstkritik und spiegelt die Arroganz sowie ideologische Blindheit des EU-Establishments wider.
Unterstützung findet Breton beim deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der angekündigt hat, im Falle eines “falschen Wahlergebnisses” seine Wahlunterlagen zu zerreissen.
So amüsant diese Aussagen auch sein mögen, wird die Ironie schnell von der ernüchternden Realität überlagert: Nur ein Bruchteil der Deutschen erkennt diese Absurditäten, während der Rest sich weiterhin mit der Wahl zwischen Merz und Habeck im Februar 2025 beschäftigt.
Das Dokument, das es möglicherweise nie gab?
Immer wenn es um die tatsächliche Souveränität Deutschlands geht, taucht der Begriff “Kanzlerakte” auf. Allerdings wurde ein Original dieses als “Geheimer Staatsvertrag vom 21.05.1949” bekannten Dokuments nie gefunden. Auch existieren keine Kopien. Die Redlichkeit dieses Dokuments wurde wiederum von Generalmajor Gerd-Helmut Komossa in seinem Buch beschrieben, bisher jedoch nur in Österreich publiziert.
Komossa, der ehemalige Leiter des Militärischen Abschirmdienstes, beschreibt darin erstaunliche Dinge:
“[…] Im Geheimen Staatsvertrag vom 21. Mai 1949, der vom Bundesnachrichtendienst unter 'Strengste Vertraulichkeit' gestellt wurde, sind grundsätzliche Einschränkungen der deutschen Souveränität festgelegt worden, die bis 2099 gelten. Dazu gehört die Kontrolle der Alliierten über deutsche Medien ebenso wie die Anforderung, dass jeder Bundeskanzler die sogenannte 'Kanzlerakte' vor Amtsantritt unterschreiben muss. “[…]
Die wissenschaftliche Position des Bundestages widerspricht dieser Darstellung jedoch entschieden:
“Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur keinen Beleg dafür, dass es den von Komossa beschriebenen 'geheimen Staatsvertrag' gegeben hat […]”
Ein Fazit
Trotz aller Spekulationen und Kontroversen bleibt ein definitiver Beweis für die Existenz einer “Kanzlerakte” aus. Falls sie existieren würde, würde sie wohl kaum öffentlich gemacht. Stattdessen herrscht ein systematisches Schweigen.
Egon Bahr, als ehemaliger enger Vertrauter Willy Brandts, berichtete, wie Brandt bei Amtsantritt “drei Briefe” unterschreiben sollte, die die Einschränkungen der Alliierten bestätigten. Dies habe Brandt sehr geärgert, da es seiner Meinung nach seine Verpflichtung gegenüber dem deutschen Volk untergrub.
Auch wenn die Kanzlerakte vielleicht lediglich ein Symbol für die eingeschränkte Souveränität Deutschlands ist, gibt es genügend Indizien, die darauf hinweisen, dass die mediale Kontrolle und andere Einflüsse der Alliierten weiterhin bestehen. Ein wahrhaft souveränes Deutschland bleibt somit eine offene Frage.
Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Seit 2020 lebt und arbeitet er in Sankt Petersburg und engagiert sich zudem auf einem eigenen Telegram-Kanal.
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