Agenda 2030: Neoliberale Reformen auf Kosten der Schwächsten

Von Susan Bonath

In Deutschland wachsen Abstiegsängste und Unmut angesichts der anhaltenden Krisen, eine Gefühlslage, die die großen politischen Parteien für ihre Zwecke zu nutzen wissen. Ihr bewährtes Rezept: Sündenböcke in den unteren Schichten suchen, um von den wahren Profiteuren der Krise abzulenken. So scheint es auch in der aktuellen Agenda der CDU, die Friedrich Merz voraussichtlich zum Kanzler führen wird. Unter der Bezeichnung “Agenda 2030” plant die Partei eine Verschärfung der bereits 2003 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) eingeführten Hartz-Gesetze.

Radikale Neuauflage der Hartz-Agenda

Die Beschlüsse der CDU, gefasst während einer Klausurtagung des Bundesvorstandes am Wochenende, lassen sich grob so umreißen: Steuererleichterungen hauptsächlich für Reiche, härtere Bestrafungen und Kürzungen für Bedürftige sowie ein Anstieg des Drucks auf Lohnabhängige.

Merz betonte die Anlehnung an Schröders “Agenda 2010”, ein Projekt, das damals auch mit Unterstützung von Union und FDP die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Hartz IV umfasste. Dieses reformierte System zwang Arbeitslose, selbst niedrig bezahlte Jobs anzunehmen und erhöhte dadurch den Druck auf alle Beschäftigten, schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.

Die Folgen waren deutlich: Die Tafeln mussten ihre Angebote verdoppeln, die Obdachlosigkeit und wahrscheinlich auch die Kriminalitätsrate stiegen an.

Steuergeschenke für das Großkapital

Merz lobte die Maßnahmen von Schröder, ohne die negativen Auswirkungen zu erwähnen, und sprach sich für eine Entlastung der Unternehmen und der “Mittelschicht” aus. Hierbei stellt sich die Frage, wen er genau damit meint, besonders da sich Merz selbst als Millionär früher der Mittelschicht zugeordnet hat.

Das neue Programm verspricht tatsächlich Vorteile für Beschäftigte mit mittleren Einkommen bis zu etwa 6.700 Euro brutto monatlich: Der Spitzensteuersatz soll erst ab einem Jahresgehalt von 80.000 Euro greifen, was vor allem jenen zu gute kommt, die sich dieser Grenze nähern.

Zudem möchte die CDU Rentner motivieren, länger zu arbeiten, indem sie erlaubt, bis zu 2.000 Euro dazuzuverdienen, steuerfrei. Dies lenkt davon ab, dass viele Rentner aus finanzieller Not heraus arbeiten müssen. Gleichzeitig sollen bezahlte Überstunden steuerfrei gestellt werden, was verschleiert, dass die Hälfte aller Überstunden unbezahlt bleiben – im Jahr 2023 etwa 775 Millionen Stunden.

Die geplanten Entlastungen für Großunternehmen, wie die Senkung der Körperschaftssteuer von 15 auf 10 Prozent und weitere steuerliche Erleichterungen, kommen primär Großkonzernen zugute, während kleinere Unternehmen kaum davon profitieren.

PR-Kampagne gegen Arme

Die Vorschläge der CDU würden unweigerlich zu Einbußen bei den Staatseinnahmen führen, geschätzt auf fast 90 Milliarden Euro. Entsprechende Kürzungen sind bei Sozialleistungen wie dem Bürgergeld und der Sozialhilfe vorgesehen. Trotz der Tatsache, dass Jobcenter die geringe Zahl an “Totalverweigerern” bestätigen und viele Betroffene krankheitsbedingt nicht arbeiten können, wird der Fokus weiter auf diese Gruppe gerichtet.

Neoliberale Mythen statt Gemeinwohl

Zusammen mit Plänen für umfangreiche staatliche Ausgaben in einem nationalen Aufrüstungsprogramm könnte die “Agenda 2030” unter Merz die sozialen und wirtschaftlichen Probleme nur noch verstärken. Eine Reduzierung des Sozialstaats nach US-amerikanischem Vorbild und fehlende Investitionen in dringend benötigte Infrastrukturprojekte wären die wahrscheinlichen Folgen.

Trotz einiger Bedenken innerhalb der CDU versuchte Merz, diese in einem Gespräch zu zerstreuen, indem er auf gesteigerte Unternehmensgewinne durch die Steuersenkungen verwies, was wiederum das Wirtschaftswachstum ankurbeln sollte. Eine altbekannte neoliberalen Annahme, deren Erfolg fraglich bleibt.

Selbst im aktuellen Wahlkampfszenario, laut ZDF-Wahlkampfbarometer liegt die Union vorn, macht sich die CDU Sorgen um wettbewerbsähnliche Ansätze der AfD, die ebenso Steuersenkungen für Reiche und höhere Rüstungsausgaben fordert. Allen bekannten politischen Parteien ist klar: In Krisenzeiten gewinnt oft, wer nach unten tritt.

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