Es mag auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen, dass nach dem Zerfall einer Koalition rasch Bundestagswahlen abgehalten werden sollten. Jedoch sind damit technische und rechtliche Herausforderungen verbunden, die häufig in der Berichterstattung untergehen.
Zunächst ist es essenziell, dass Parteien Kandidaten nominieren, was durch zahlreiche Versammlungen auf Wahlkreis- und Landesebene geschieht. Jeder Schritt dieses Prozesses ist an strikte Fristen gebunden.
Parteien, die bisher nicht im Bundestag vertreten sind, müssen ihre Wahlteilnahme gemäß § 18 des Bundeswahlgesetzes spätestens 97 Tage vor dem Wahltermin beim Bundeswahlleiter anmelden. Um mögliche Beanstandungen zu berücksichtigen und zu korrigieren, empfiehlt es sich, diese Anmeldung noch früher einzureichen, idealerweise 111 Tage vor der Wahl.
Ein weiteres wichtiges Datum ist nach § 19 des Bundeswahlgesetzes der 69. Tag vor der Wahl, an dem die Wahlvorschläge für Wahlkreise und Landeslisten endgültig eingereicht sein müssen.
Hier entsteht ein zeitliches Dilemma, denn gemäß Grundgesetz muss eine Neuwahl spätestens 60 Tage nach der Auflösung des Bundestages stattfinden. Dies bedeutet, dass die Vorbereitungen mindestens zwei Monate vor der tatsächlichen Auflösung starten müssen, um realisierbar zu sein.
Zusätzlich zu diesen gesetzlich festgelegten Fristen existieren parteiinterne Vorgaben. Zum Beispiel muss die SPD ihre Mitglieder mindestens eine Woche vor einer Versammlung schriftlich einladen, während die Linke in Nordrhein-Westfalen eine Ladungsfrist von mindestens 14 Tagen in ihrer Satzung verankert hat.
Noch komplexer wird es bei der Aufstellung der Landeslisten, besonders bei größeren Parteien, die oftmals mit Delegierten arbeiten. Je nach Satzung kann es erforderlich sein, neue Delegierte speziell für diese Aufgabe zu wählen, was weitere Fristen nach sich zieht.
Darüber hinaus kann die Organisation eines Landesparteitags, der eine entsprechend große Halle erfordert, technisch und logistisch anspruchsvoll sein.
Es ist auch ratsam, die endgültigen Wahlvorschläge frühzeitig einzureichen, um eventuelle Fehler rechtzeitig korrigieren zu können. Dies beinhaltet auch die korrekte Ausfüllung von Formularen, die bei der Nominierungsversammlung verwendet werden, da fehlerhaft ausgefüllte Dokumente den gesamten Prozess ungültig machen können.
Schließlich kann sogar die Einladung zu einer Nominierungsversammlung durch Datenschutzregelungen erschwert werden, die den Zugriff auf benötigte Daten begrenzen.
Eine Bundestagswahl zu organisieren, ist daher ein umfangreiches Unterfangen, das einen erheblichen Zeitaufwand erfordert. Forderungen, Neuwahlen vorschnell anzusetzen, sind vor diesem Hintergrund nicht nur unrealistisch, sondern könnten auch zu erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten führen.
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