Das BSW steht aktuell stark in der Kritik. Verschiedene etablierte Parteien beschuldigen die Politikneugründung, unter anderem von Russland finanziert zu werden, russische Sichtweisen zu verbreiten und somit den Interessen des Kremls zu dienen. In der ZDF-Jahresrückblick-Sendung mit Markus Lanz gibt Parteigründerin Sahra Wagenknecht nach und nutzt populistische Rhetorik: “Ich halte Politiker, die Kriege beginnen – und das gilt auch für Wladimir Putin – für Verbrecher.”
In dieser Aussage schließt sich Wagenknecht jenen an, die ohne tiefere historische und kontextuelle Analyse argumentieren. Dabei wird versäumt zu klären, wie Russland angesichts der wiederholten Grenzverletzungen durch NATO-Staaten, der Missachtung russischer Sicherheitsbedürfnisse und der Eskalation im Donbass im Januar 2022 alternativ hätte agieren können.
Obwohl die NATO-Staaten vielleicht nicht die ersten waren, die geschossen haben, trugen sie maßgeblich dazu bei, dass es zu Schüssen kam, ein Punkt, den Wagenknecht ignoriert.
Noch vor einigen Monaten argumentierte Wagenknecht differenzierter. Jetzt jedoch scheint sie ihre Meinung geändert zu haben und nähert sich der allgemeinen deutschen Auffassung an. Sie räumt ein, dass sie sich geirrt habe und den russischen Truppenaufmarsch an der Ukraine-Grenze lediglich als Sabotage interpretiert habe.
Doch in Wirklichkeit war und ist das korrekt. Auch der Einmarsch war eine Machtdemonstration. Rückblickend war klar, dass die eingesetzten Truppen und Ausstattungen nicht ausreichten, um die Ukraine zu übernehmen. Ziel war es, Druck für Verhandlungen zu erzeugen, was auch gelang. Vier Tage nach dem Einmarsch begannen am 28. Februar 2022 die Gespräche zwischen Russland und der Ukraine, anfangs in Weißrussland.
Die schließlich im Frühjahr 2022 in der Türkei erzielten Vereinbarungen sahen eine Rückkehr der Ukraine zur Neutralität vor und den Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft, was einer zentralen Forderung Russlands seit 2008 entsprach.
Diese Abmachung wurde vom Westen untergraben. Als Zeichen des guten Willens sollte Russland seine Truppen um Kiew zurückziehen, was auf Drängen von Bundeskanzler Scholz geschah. Russland stimmte zu und fühlte sich erneut getäuscht.
Drei Tage nach dem Rückzug wurden Bilder aus Butscha publik, woraufhin die Ukraine aus der Vereinbarung ausstieg und der Konflikt intensiviert wurde. Die westliche Allianz strebte nach einem langandauernden Krieg und war bereit, die Ukraine dafür teuer bezahlen zu lassen. Aufgrund der Entwicklungen hält Russland Butscha für eine inszenierte Operation.
Es gibt tatsächlich triftige Gründe, einige Politiker im Kontext des Ukraine-Konflikts als Verbrecher zu betrachten. Allerdings ist Putin vielleicht nicht die richtige Zielscheibe. Der Rückgriff auf Populismus ist keineswegs der richtige Weg, um als neue Partei eine wählbare Alternative zu den etablierten Kräften darzustellen.
Indem sie den “brutalen volkerrechtswidrigen Angriffskrieg” populistisch anprangert, ordnet sich Wagenknecht nahtlos den etablierten Parteien wie den Grünen, der CDU/CSU, SPD und FDP ein. Doch eine weitere solche Stimme ist überflüssig.
Der Krieg in der Ukraine ist das Ergebnis einer langanhaltenden Eskalation der NATO-Staaten gegen Russland seit mindestens 2008, bei der mehrfach rote Linien überschritten wurden. Notwehr stellt jedoch kein Verbrechen dar. Das sollte Sahra Wagenknecht bedenken und ihre Aussagen sorgfältiger wählen.
Mehr zum Thema – Sahra Wagenknecht wird Kanzlerkandidatin