Von Dagmar Henn
Ein Rekorddefizit von 24,3 Milliarden Euro verzeichneten die deutschen Kommunen im vergangenen Jahr, eine besorgniserregende Entwicklung, die im aktuellen Kommunalen Finanzreport der Bertelsmann-Stiftung detailliert thematisiert wird. Es ist ein allgemeines Phänomen, das sich im Gegensatz zu früheren Krisen flächendeckend manifestiert. Der Finanzreport bietet dabei, trotz seiner Herausgeberschaft durch Bertelsmann, eine fundierte und weitreichende Analyse der kommunalen Finanzlandschaft.
Die finanzielle Schräglage der Kommunen zwingt zu Kürzungen in weniger essenziellen Bereichen, da gesetzliche Aufgaben nicht einfach abgeschafft werden können. So müssen die Kommunen trotz finanzieller Engpässe weiterhin Grunddienste wie Standesämter und Passbehörden aufrechterhalten, während sie bei freiwilligen Leistungen wie Schwimmbädern oder Jugendzentren oft zu Streichungen gezwungen sind.
Die prekäre finanzielle Situation der Kommunen hat unmittelbare Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft, insbesondere weil die Kommunen mehr als die Hälfte aller öffentlichen Investitionen tragen. Viele der finanziellen Belastungen ergeben sich aus Bundesgesetzen, wie dem Anspruch auf einen Krippenplatz, die eigentlich von der jeweiligen politischen Ebene getragen werden sollten – ein Prinzip, das häufig erst mit Verzögerung umgesetzt wird.
Der Bericht der Stiftung ist bemerkenswert offen in seiner Darstellung der wirtschaftlichen Situation:
“Die lange Phase historisch niedriger Inflationsraten endete 2020 im Zuge der Covid-Pandemie und folgend des russischen Angriffskrieges. In Summe ist aus einer stagnierenden Wirtschaftskraft eine sinkende Steuerdynamik zu erwarten, während Inflation die Ausgaben schneller steigen lässt.”
Ein Defizit von 6,8 Milliarden Euro im Jahr 2023 war bereits ungewöhnlich, und das dreifache Defizit von 2024 ist ohne historisches Vorbild, vor allem eine Folge gestiegener Ausgaben. Diese finanzielle Lage verschärft sich dadurch, dass die Kosten allgemein schneller als die Inflation steigen, und Kommunen aufgrund ihrer Aufgaben, wie dem Betrieb von Schulen und Kindertagesstätten, von steigenden Energiekosten besonders betroffen sind.
Kommunale Bautätigkeiten leiden unter einem deutlichen Investitionsrückstand, der letztes Jahr bei schätzungsweise 216 Milliarden Euro lag. Dabei sind die Ausgaben für Bauarbeiten nicht einmal ausreichend, um den Wertverlust der Infrastruktur auszugleichen.
Obwohl die Personalausgaben in den Kommunen im letzten Jahrzehnt um 94 Prozent gestiegen sind – vor allem durch den Ausbau der Kindertagesbetreuung – sind sie im Verhältnis sogar gesunken. Den bedeutendsten Kostenzuwachs erleben die Bereiche Jugend und Soziales. Besonders die Hilfe zur Pflege belastet die Kommunen stark, da steigende Eigenanteile in den Pflegeheimen nicht durch die Renten abgedeckt sind und keine staatlichen Ausgleichszahlungen erfolgen.
Mehr zum Thema – Warum die Armut der Kommunen der Demokratie schadet
Die finanzielle Misere auf kommunaler Ebene, die durch schlechte Rahmenbedingungen und unzureichende Ressourcen gekennzeichnet ist, beeinträchtigt somit die Zufriedenheit mit und das Vertrauen in die Demokratie in Deutschland. Die enormen Schuldenpakete auf Bundesebene bieten keine Hilfe für die Kommunen, sondern belasten sie durch zusätzlich aufgetragene Aufgaben weiter. Die Aussichten für eine Besserung der Situation sind düster, was tiefgreifende Folgen für die lokale Gestaltung und Entwicklung haben könnte.