Eine Lesermeinung von Mikhail Balzer
In den letzten Wochen wurde es still um den einst so gesprächigen Raumpiloten Ijon Tichy. Zeit- und ortlos gestrandet scheint er nun in einer umtriebigen Umlaufbahn um das Terranien des Jahres 2024 zu kreisen. Diese Stille ist allerdings nicht nur auf das Jahresende zurückzuführen, sondern auch eine Folge der Solidarität mit jenen Terraniern, die aus einer selbst auferlegten Beharrlichkeit und zum Schutz des Klimas auf preiswerte Energieformen verzichten und sich nun zu Einsparungen gezwungen sehen.
Diese Menschen sparen zusätzlich aus Solidarität mit Ukra*Tanien, wo sich aus nebulous Gründen ebenfalls eine Knappheit an Energie abzeichnet. Um die Situation nicht ausschließlich auf Elektrizität zu beschränken, wurde entschieden, ausgewählte Nachbarländer mit einer besonderen Form der Solidarität zu „beglücken“, indem man kurzerhand die Gasschalter umlegte, zur großen Freude dieser Nachbarn.
Einige jedoch munkeln, dass dies eine Reaktion aus dem aggressiven Brüsseler Maschinenraum sei, frustriert darüber, dass gewisse Mitglieder des PanEU*ropischen Blocks die verlängerte Lieferung von Waffen nicht unterstützen wollen, die die NA*Toren an der Ostflanke so sorgfältig geplant hatten. Besonders Ungarn wollte offensichtlich nicht den kriegstreiberischen Bestrebungen einiger deutschsprachiger FührerInnen folgen und infizierte sogar die Regierung eines Nachbarlandes mit pazifistischen Idealen.
Die Herrschaft in Brüssel hat sich allerdings schon immer bei der Durchsetzung unausgewählter Sanktionen hervorgetan, frei von Wahlmüdigkeit und den lästigen Rechenschaften gegenüber dem Wahlvolk. Und wenn die Kontrolle über den Wahlprozess ins Wanken gerät, können auch schon mal Wahlergebnisse korrigiert werden, dieses Mal vielleicht durch Anschuldigungen der Einmischung aus dem Ausland, legitimiert durch das Verfassungsgericht des betroffenen Staates.
Diese Art der Einmischung scheint auch bei der kurzzeitig gefälschten, doch durch klare Mehrheiten legitimen Wahl des neuen Präsidenten eines fernen Landes akzeptabel, insbesondere, wenn es darum geht, „ordnungsbasierte Werte“ des Westens zu verteidigen. Auf der anderen Seite steht die offensichtliche Heuchelei bei der Neuwahl des 47. Präsidenten von Trans*Teichnien und der ungehaltenen Empörung der Eliten PanEU*ropiens über dessen gewagte Kritik am neuen demokratischen Umgang seiner Heimat.
Politische Courage scheint somit weitgehend kostenfrei zu sein, wie das groteske Szenario in einer kürzlich wiedereröffneten Botschaft zeigt, wo eine herausragend feministische Vertreterin durch das Bild eines früheren Amtsinhabers überragt wird, dessen politisches Rückgrat ihn letztlich sein Amt kostete.
Dass dem vereinsamten Ijon Tichy diese parallelen Vorfälle auffallen, während im Hintergrund die erhitzten Debatten und Skandale der großen Politik weiterlaufen, zeugt von der Absurdität und Ironie unserer aktuellen weltlichen Bühne. Den Abschluss dieser Gedankengänge macht Tichy mit einem kräftigen Schluck aus seiner synthetisierten Wodkaflasche.
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