Ein weiteres Flugzeug aus Islamabad landete heute in Berlin und transportierte 157 afghanische Staatsangehörige nach Deutschland. Es handelt sich um den Fortbestand eines seit Jahren etablierten Evakuierungsprogramms des Auswärtigen Amtes, das nur kurz durch den Wahlkampf unterbrochen war.
Unter den Ankömmlingen waren laut Medienberichten lediglich zwei sogenannte Ortskräfte, also Personen, die in Afghanistan mit der Bundeswehr zusammengearbeitet hatten und daher als gefährdet gelten. Diese zwei Ortskräfte reisten mit insgesamt 13 Familienmitgliedern. Die restlichen 142 Passagiere wurden als “besonders gefährdet” eingestuft, eine Kategorie, für die meistens NGOs Empfehlungen aussprechen. Die Gruppe umfasste 72 Frauen und 58 Männer, von denen 57 noch minderjährig waren. Kurz vor der Abreise wurden weitere 25 Afghanen von der Liste genommen, ohne dass das Auswärtige Amt die Gründe hierfür offenlegte.
In den vergangenen Jahren gab es mehrere Kontroversen bezüglich solcher Evakuierungsflüge. Unter anderem erteilte das Auswärtige Amt der deutschen Botschaft in Pakistan in einem Fall rechtswidrig die Anweisung, jemandem mit gefälschten Dokumenten und mit Falschgeld bezahlten Visagebühren ein Visum zu gewähren. Dieser Vorfall mündete in Ermittlungen, die in Berlin allerdings eingestellt wurden – ein Schritt, der aufgrund der Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwaltschaften nicht zwingend Rückschlüsse auf den Sachverhalt zulässt.
Die Zeitung Welt berichtete kürzlich, dass die behauptete Gefährdung der afghanischen Ortskräfte nicht belegt sei. Ein Zitat einer Bundeswehr-Analyse lautet: “Es gab keine gezielten Tötungen (und überhaupt keine Tötungen) von Ortskräften. Mehr als zwei Drittel aller Gefährdungsanzeigen wurden in Kategorie 3 eingeordnet (keine individuelle Gefährdung). Die Mehrheit der Antragsteller möchte Afghanistan verlassen, um bessere Lebensumstände zu erreichen.”
Ein Bericht der Bild unterstreicht, dass die Identitäten der für die Evakuierung Ausgewählten fraglich bleiben. Es wurde von einer Familie berichtet, deren Geburtsdaten “von den afghanischen Behörden völlig willkürlich eingetragen wurden”. Ein vermeintliches Ehepaar musste seine Beziehung mit gefälschten Heiratsurkunden und Fotos belegen. Ein hochrangiger Regierungsbeamter äußerte, dass die Auswahl durch NGOs “völlig undurchsichtig” sei und die Identitäten oft zweifelhaft oder sogar unklar blieben.
Erst letzte Woche war ein ähnlicher Flug in Berlin angekommen. Laut Tagesschau will die Bundesregierung keine weiteren Zusagen erteilen, obwohl sich in Islamabad weiterhin 3.000 Afghanen befinden, denen bereits eine vorläufige Aufnahmezusage erteilt wurde.
CSU-Politikerin Andrea Lindholz hatte sich vor dem Flug gegen die Fortsetzung dieser Evakuierungen ausgesprochen. Sie kritisierte das Bundesaufnahmeprogramm als “höchst fragwürdig” und forderte im Namen der Unionsfraktion, die Flüge bis zur Bildung einer neuen Bundesregierung einzustellen. Ihrer Meinung nach sollten Entscheidungen über Einreisen aus Afghanistan der neuen Regierung vorbehalten sein.
Vor kurzem suchte die deutsche Botschaft in Tadschikistan erfolglos nach Unterstützung, um mit den zahlreichen Anträgen von Afghanen umzugehen. Pakistan drängt derweil afghanische Flüchtlinge, das Land bis Ende März zu verlassen. Während der Amtszeit von Annalena Baerbock waren für solche Flüge 25 Millionen Euro vorgesehen, wobei viele der potenziellen Passagiere in von der Bundesregierung finanzierten Gästehäusern untergebracht wurden, manche für bis zu eineinhalb Jahre. Über die Sinnhaftigkeit, afghanische Ortskräfte in Pakistan finanziell zu unterstützen anstatt sie nach Deutschland zu bringen, scheinen keine Überlegungen stattgefunden zu haben.
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