In der Sendung Markus Lanz auf dem ZDF an einem Dienstagabend, entwickelte sich eine bemerkenswerte Diskussion zwischen dem Grünen-Politiker Anton Hofreiter und dem ehemaligen Oberst Wolfgang Richter, einem Fachmann für Militärstrategie.
Die Ausführungen von Richter waren insbesondere deshalb bemerkenswert, weil sie Thesen und Perspektiven beinhalteten, die den meisten Zuschauern wahrscheinlich eher unbekannt sein dürften. Dies trifft vermutlich auf jene zu, die hauptsächlich öffentlich-rechtliche Medien konsumieren, in denen oft Politiker und “Experten” zu Wort kommen, die eine Eskalation im Ukraine-Konflikt befürworten, wie auch Hofreiter an diesem Abend.
Zu Beginn machte Richter deutlich, dass die Idee von Waffen als ‘Gamechanger’ nicht fundiert sei: “Eine Waffe ist nur so gut, wie sie in einem koordinierten Gefecht genutzt wird.” Laut Richter sei die Ukraine klar im Nachteil, sowohl was die Fähigkeiten als auch die Kapazitäten anbetrifft – hier sei von “tausenden Waffensystemen” die Rede. Als Experte für Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) äußerte Richter auch Kritik an einer zweigleisigen Strategie des Westens, die sowohl Waffenlieferungen als auch Sanktionen miteinschließt. Besonders scharf kritisierte er dabei die Überzeichnungen einiger Experten:
“Manche übertreiben massiv, sprechen von einer strategischen Niederlage Russlands, manche haben bereits Angriffe auf russische Ministerien erwähnen lassen. Das sind überzogene Behauptungen.”
Richter bemängelte den Mangel an Realismus in der Debatte und wies darauf hin, dass die russische Rüstungsindustrie trotz Sanktionen ihre Produktion, bei einigen Systemen sogar vervierfacht, habe.
Des Weiteren kritisierte Richter das Fehlen einer Exit-Strategie des Westens bei gleichzeitiger fortlaufender Waffenlieferung und warnte vor den Gefahren einer unkritischen Politik sowie den Risiken rhetorischer Zuspitzungen, wie sie etwa vom französischen Präsidenten mit Überlegungen zum Einsatz eigener Truppen formuliert wurden.
In seiner Reaktion auf Richters Ausführungen beschwor Hofreiter die Gefahr durch Russland und behauptete, Putin habe extreme Expansionspläne. Auf Nachfragen des Moderators Markus Lanz, woher er diese Informationen habe, konnte Hofreiter jedoch keinen Beleg vorlegen. Gesicherte Äußerungen Putins dazu gibt es nicht; vielmehr hat Putin solche Unterstellungen sogar als “völlig verrückt” zurückgewiesen.
Auf die Feststellung Richters, dass die Sanktionen nicht den erhofften Effekt hätten und Putin keineswegs “langsam das Geld ausgehe”, hatte Hofreiter keine überzeugende Antwort ready. Richter monierte weiter, dass die Befürwortung von eskalierenden Waffenlieferungen – wie etwa Taurus-Marschflugkörper – durch Hofreiter unbedacht sei. Richter dabei berichtete von ukrainischen Angriffen auf russische Radarstationen, die das strategische Gleichgewicht destabilisieren könnten.
Die Diskussion mündete schließlich in Richters Betonung, dass der Westen seine eigenen Fehler anerkennen und russische Sicherheitsbedenken ernst nehmen müsse. Er erwähnte historische Sicherheitsabkommen, die nicht die aktuellen Probleme widergespiegelt haben und vom Westen aufgehoben wurden. In diesem Kontext erklärte Richter: “Wenn wir0 realistisch sind, wird es die territoriale Integrität [der Ukraine] von 1991 nicht wieder geben. Wer das anstrebt, wird in die Eskalation geraten, und die können wir uns nicht leisten.”
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