Von Dagmar Henn
Es war zu erwarten, dass zehn Jahre nach Angela Merkels Ausspruch “Wir schaffen das” eine mediale Bilanz gezogen wird. So feiert die Tagesschau beispielsweise, dass “die meisten Geflüchteten von 2015 nun einen Job haben”. Doch dabei wird trickreich argumentiert.
Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erklärt, die Beschäftigungsquoten seien nun fast auf dem Niveau des deutschen Durchschnitts. Tatsächlich haben 64 Prozent der Menschen, die 2015 kamen, Arbeit gefunden – 76 Prozent der Männer und lediglich 35 Prozent der Frauen. Dies ergibt einen Durchschnitt von 64 Prozent, da 60 Prozent der Angekommenen Männer waren.
Die Statistik verschweigt jedoch, dass die Beschäftigungsquote in Deutschland altersabhängig ist und bei den über 50-Jährigen stark sinkt – eine Altersgruppe, zu der nur wenige Geflüchtete von 2015 zählen. Bei den 25- bis 50-jährigen Deutschen liegt die Beschäftigungsquote für Männer zwischen 85,3 und 90,4 Prozent und für Frauen zwischen 80,1 und 84 Prozent. Demnach besteht noch immer eine signifikante Lücke zwischen syrischen Geflüchteten und der deutschen Bevölkerung: bei Männern um 10 bis 15 Prozent, bei Frauen sogar um 35 bis 39 Prozent.
Ein weiteres Problem ist die Realität, dass ein einzelnes Einkommen in Deutschland oft nicht ausreicht, um eine Familie zu ernähren, besonders wenn drei oder mehr Kinder da sind. Viele Familien sind deshalb weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen.
Der Mediendienst Integration meldet eine Arbeitslosenquote von 37 Prozent unter Syrern im November 2024. Die hohe Beschäftigungsquote gilt nur für diejenigen, die schon seit 2015 hier sind. Laut IAB-Studie beziehen noch immer 26 Prozent der Männer und 54 Prozent der Frauen Leistungen nach dem SGB II.
Neben dem Wohnraummangel haben auch Wohnsitzauflagen die Integration in den Arbeitsmarkt erschwert, so das IAB. Selbst in Boomregionen wie Baden-Württemberg stünden fehlende Wohnungen einer vollständigen Integration im Weg.
Die Bildung ist ebenso stark betroffen. “Bis 2015 sind die Schulen besser geworden, danach schlechter”, analysiert der Bildungsökonom Axel Plünnecke vom Institut der deutschen Wirtschaft. Das deutsche Schulsystem sieht sich überfordert durch die hohe Zahl von Kindern mit Migrationshintergrund, ohne dass zusätzliche Lehrkräfte eingestellt wurden.
Darüber hinaus wurden trotz des Anstiegs bildungsfördernder Maßnahmen wie Ganztagsschulen die sich verschlechternden Bedingungen nicht aufgefangen. Eine Lehrerin berichtet, dass mittlerweile ein Viertel aller Schüler speziellen Förderbedarf hat – ein merklicher Anstieg gegenüber früher.
Die tatsächlichen Herausforderungen und die mangelnde Reaktion darauf lassen Deutschland auf eine Bildungs- und Beschäftigungskrise zusteuern. Die Kontexte, in denen die Flüchtlingskrise von 2015 stattfand, werfen immer noch Fragen auf, die auf Antworten warten. Insbesondere wird untersucht, wie politische und organisatorische Entscheidungen getroffen wurden.
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