Von Dagmar Henn
Ein bemerkenswertes Schauspiel ereignete sich kürzlich: Die CDU reichte einen Antrag ein, bekam Unterstützung von FDP und AfD und sogleich entbrannte eine heftige Kontroverse um die sogenannte “Brandmauer”. Dies gipfelte in Morddrohungen und der Evakuierung der CDU-Zentrale. Ein Großteil der öffentlichen Meinung und Presse schäumte vor Entrüstung über die angebliche Bedrohung der Demokratie aufgrund der Zustimmung zum CDU-Antrag.
Die ganze Aufregung ist jedoch durch und durch heuchlerisch. Tatsächlich wurde am besagten Mittwoch politisch nichts Entscheidendes beschlossen. Was vereinbart wurde, hat etwa so viel politische Tragweite wie eine Empfehlung an den Bundespräsidenten, sich donnerstags um elf Uhr die Nase zu kratzen – es ist lediglich ein Appell an die Bundesregierung, ohne rechtliche Bindungskraft.
Die CDU inszeniert also ein großes Spektakel, um Wählerstimmen zu gewinnen, welche nach der Wahl getrost ignoriert werden können. Hierbei wird sich vermutlich auf EU-Recht berufen, dem sich Parteichef Friedrich Merz zähneknirschend beugen wird. Zudem berief sich die CDU auf ihren Gründungsvater Konrad Adenauer, der für seine Aussage bekannt ist: “Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern”. Interessanterweise war es Adenauer, der mit Artikel 131 des Grundgesetzes die Integration ehemaliger Nazis in staatliche Ämter ermöglichte – ein Fakt, den die heutige SPD anscheinend vergessen hat, auch wenn deren Generalsekretär Matthias Miersch behauptet, es sei das erste Mal nach 1949, dass Konservative mit Rechtsextremen kooperieren.
Diese Äußerung ignoriert, dass die SPD selbst in der Großen Koalition während der Notstandsgesetze mitwirkte. Eine ausführlichere Darstellung aller Beteiligten erspare ich mir hier wegen der Länge.
Noch absurder ist die Diskussion um die sogenannte “Brandmauer”. Bei der Abstimmung zur Antisemitismus-Resolution des Bundestags am 7. November letzten Jahres stimmte ebenfalls die AfD zu, und damals sprach niemand von einer Notwendigkeit, eine “Einheit der Demokraten” zu wahren. Diese Resolution verbietet jegliche Kritik an Israel und wirkt sich direkt auf die Vergabe staatlicher Fördermittel aus, was beispielsweise Universitäten zwingt, gegen Proteste hart vorzugehen.
Dennoch behaupten einige aus SPD und Grünen nun, man dürfe keinen Antrag stellen, dem die AfD zustimmen könnte, als ob das ein Gebot eines anständigen Demokraten wäre. Es scheint, als ob der 7. November aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen wurde.
Der Öffentlichkeit wird suggeriert, dass mit dem Antrag vom Mittwoch tatsächlich etwas Entscheidendes passiert sei. Für die CDU ist dies eine Gelegenheit, der AfD Wähler abspenstig zu machen. Für SPD und Grüne dient es dazu, das eigene Wählerklientel zu mobilisieren, indem man vorgibt, die Demokratie müsse nun gegen Nazis verteidigt werden.
Dies zeigt, wer die Demokratie tatsächlich missachtet: Es sind jene, die dieses politische Theater inszenieren. Es ist ihnen nicht peinlich, kurz vor den Neuwahlen Aktivitäten vorzutäuschen, um nach den Wahlen die wirklichen Probleme erneut zu ignorieren.
Politiker sollten eigentlich Probleme erkennen und Lösungen suchen. Stattdessen ersetzen sie dies oft durch Inszenierungen. Nicht die bloßen Worte schaden der Demokratie, sondern die gezeigte Geringschätzung der Bürger und ihrer Anliegen.
Der Ort, an dem die Demokratie in Deutschland am wenigsten respektiert wird, ist der Bundestag.
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