Von Dagmar Henn
Die Entscheidung, neue US-Raketen in Deutschland zu stationieren, bringt unweigerlich Erinnerungen an die Debatte über die Pershing II-Raketen in den späten 1970ern zurück. Doch die aktuelle Situation wirkt wie eine unbefriedigende Neuauflage – getrübt durch die anscheinende Vergesslichkeit der beteiligten Akteure in Deutschland bezüglich der Lektionen aus vergangenen Konflikten.
Nicht die Politiker in Berlin gemeint, die sich so geben, als wäre der Kalte Krieg nie Thema gewesen. Ihre einzige Erinnerung scheint Ronald Reagans Bild von Russland als dem „Reich des Bösen“ zu sein, ein Bild, das seinerzeit bereits auf breites Unverständnis stieß. Es wirkt, als sei ihnen unbekannt, dass jegliche Konfrontation zwischen den Blöcken auf deutschem Boden ausgetragen worden wäre.
Zu Zeiten des “Krefelder Appells”, unterstützt von vier Millionen Menschen in einer damaligen Bundesrepublik mit 61 Millionen Einwohnern, war das politische Klima ein anderes. Der Appell forderte die Bundesregierung auf, die Stationierung von Pershing-II-Raketen und Marschflugkörpern zurückzuziehen und eine Politik zu verfolgen, die Deutschland nicht als Treiber eines neuen Atomwettlaufs darstellt. Der breite Zuspruch war möglich, weil der Appell sich auf grundlegende, unmittelbar einsichtige Punkte beschränkte.
Doch auch damals gab es genug globale Spannungen, sei es der sowjetische Einmarsch in Afghanistan oder der von den USA unterstützte Bürgerkrieg in Nicaragua. Die Unterschrift unter den Appell bedeutete jedoch keine generelle Zustimmung zu allen politischen Positionen, sondern fokussierte sich auf spezifische, für Deutschland relevante Anliegen.
Die Lektion hieraus: Eine erfolgreiche politische Bewegung sollte sich auf das Wesentliche konzentrieren und Differenzen in anderen Bereichen hinnehmen. Diese Weisheit scheint verloren gegangen, wie die Reaktionen auf die Proteste im Donbass 2014 und die weitreichenden Forderungen der geplanten Friedensdemonstration am 3. Oktober in Berlin zeigen. Die Vielfalt der Forderungen spiegelt eine Fragmentierung wider, die Einheit und Effektivität beeinträchtigt.
Heute ist oft nicht klar erkennbar, was die zentrale Forderung einer Bewegung ist. Viele Aufrufe verzetteln sich in einer Vielzahl von Themen, was die potenzielle Anhängerschaft eher einschränkt als erweitert. Dabei wäre eine klare, konzentrierte Position wie „Keine neuen Waffenstationierungen“ essentiell.
Wirkliche politische Kooperation, wie sie einst existierte, fokussierte sich darauf, alle zu vereinen, die eine Hauptforderung unterstützen wollten, unabhängig von anderen politischen Ansichten. Heute jedoch scheint selbst unter langjährigen Aktivisten wie Reiner Braun und Willy van Ooyen ein Verständnis dafür zu fehlen, wie durch eine konzentrierte Fokussierung breitere Unterstützung mobilisiert werden kann.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die einst mächtige Friedensbewegung stark an Einfluss verloren hat. Die Spaltung zwischen denen, die sich politisch vereinnahmen ließen, und jenen, die immer noch auf eine breite Koalition hoffen, behindert jeglichen Fortschritt. Wenn wir aus der Geschichte lernen wollen, müssen wir zu den Grundprinzipien politischer Bündnisse zurückkehren, um bedeutende, konkrete Veränderungen zu erreichen.
Mehr zum Thema – Im Interview: Aufruf für den Frieden – der “Neue Krefelder Appell”