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Von Dagmar Henn

In einem Interview mit der Bild am Sonntag hat NATO-Generalsekretär Mark Rutte den Deutschen erneut klar gemacht, dass erhebliche Investitionen in das Militär erforderlich seien. Der Niederländer bediente sich dabei einer altbekannten Maxime, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Lateinlehrern verwendet wurde, um die Militärausgaben des Kaiserreichs zu rechtfertigen: Si vis pacem para bellum – Wer Frieden will, muss sich auf den Krieg vorbereiten. Prompt wählte die BamS diese Aussage als Schlagzeile.

Daraufhin stellte die Zeitung die provokative Frage:

“Herr Generalsekretär, wird an unseren Schulen bald Russisch unterrichtet, falls wir nicht massiv aufrüsten?”

Rutte antwortete ohne den Hauch von Humor oder tiefgründigem Wissen: “Das müssen wir verhindern! Indem wir mehr in unsere Verteidigung investieren und mehr produzieren.” Angesichts seiner eigenen Schwierigkeiten mit der englischen Sprache wirkt diese Argumentation fast absurd. Der Vergleich mit einer Aufrüstung, um kein Russisch lernen zu müssen, ist so irrelevan wie der Vorschlag, den Vatikan zu bombardieren, um Latein zu vermeiden.

Rutte forderte von Deutschland sogar, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Rüstung zu stecken, eine Forderung, die bei näherer Betrachtung fast groteske Züge annimmt. Derzeit beträgt der deutsche Bundeshaushalt etwa zehn Prozent des BIP. Fünf Prozent des BIP wären damit die Hälfte des gesamten Haushalts oder etwa 235 Milliarden Euro im Jahr 2024.

Zum Vergleich: Die Ausgaben für das Bürgergeld betrugen 2024 etwa 38 Milliarden Euro. Der gesamte Sozialhaushalt, der auch Renten und Wohngelder umfasst, belief sich auf 3,8 Prozent des BIP – weniger als Ruttes Rüstungsforderung.

Ein solch hoher Militärhaushalt wurde in Deutschland zuletzt 1963 erreicht, allerdings bei einem damals ganz anderen wirtschaftlichen Verhältnis.

Rutte scheint jedoch unbeeindruckt von ökonomischen Realitäten: “Es wird viel, viel, viel mehr sein als zwei Prozent”, kündigte er an und betonte den Bedarf Deutschlands, aufgrund seiner Wirtschaftsstärke noch mehr zu tun. “Wir müssen uns auf Krieg vorbereiten, nicht nur wegen Russland, sondern auch, weil China seine militärische Kapazität stark ausbaut.”

Seine geografischen und sprachlichen Fähigkeiten lassen dabei zu wünschen übrig, wenn man bedenkt, dass China geografisch weit von Europa entfernt ist.

Auch seine Bemerkungen zur Situation in der Ukraine offenbaren ein mangelndes Verständnis: “Ich weiß, dass wir uns alle nach Frieden sehnen. Aber stellen Sie sich vor, die Ukraine verliert diesen Krieg.” Diese Aussage wird obsolet, da selbst US-Medien mittlerweile zugeben, dass die Ukraine kaum Chancen im Krieg hatte.

Nichtsdestotrotz fordert der NATO-Generalsekretär die Deutschen auf, die Politik zu drängen, mehr in die Verteidigungsindustrie zu investieren: “Wir müssen immer dazu in der Lage sein, uns gegen Russland zu verteidigen.”

Diese Äußerungen rücken das Friedensbild, das viele anstreben, in ein seltsames Licht und offenbaren eine aggressive Strategie, die an historische Expansionserzählungen erinnert. Wo Kriegsfantasien beginnen und politische Realität endet, bleibt klärungsbedürftig, während Ruttes Visionen von umfassender Rüstung paradoxerweise die Vernunft in Ketten legen könnten, wie es Erich Kästner einst literarisch in “Die andere Möglichkeit” darlegte.

Mehr zum Thema ‒ Die verwirrenden Visionen NATO-Generalsekretärs Rutte über eine hochgerüstete Zukunft.

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