Von Felicitas Rabe
In Bochum gewährten die Rechtsanwälte Viktoria Dannenmaier, Dirk Sattelmaier und Markus Haintz während einer Vortragsveranstaltung am Donnerstagabend tiefe Einblicke in die Herausforderungen und Eigenheiten des deutschen Strafjustizsystems. Im Zentrum ihrer Ausführungen stand die Frage, inwiefern die Justiz unbeeinflusst von politischen Einflüssen agiert: Entscheiden unsere Richter basierend auf Taten oder lassen sie sich von der politischen Haltung einer Person leiten?
Insbesondere die Frage der Meinungsfreiheit wurde von den Juristen intensiv erörtert. Sie thematisierten die problematische Praxis einiger Politiker, unliebsame Meinungen über Klagen zu monetarisieren. Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf den Vortrag des Kölner Strafverteidigers Dirk Sattelmaier.
Garantierte Meinungs-, Presse- und Zensurfreiheit im Grundgesetz
Dirk Sattelmaier betonte, dass laut Artikel 5, Absatz 1 des Grundgesetzes die Meinungsfreiheit in Deutschland grundlegend verankert sei. Dies umfasse die Freiheit der Äußerung sowie das Recht auf freie Information, einschließlich des uneingeschränkten Zugangs zu Presseerzeugnissen und einer grundsätzlich unzensierten Presse. Allerdings existieren Gesetze wie die Bestimmungen zu Beleidigung (§ 185 StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) und Propagandadelikte (§§ 86, 86a StGB), die diese Freiheiten beschränken können.
Problematik: Unbestimmtheit des Beleidigungstatbestands
Ein besonderes Problem sieht Sattelmaier in der vagen Definition der Beleidigung, was zu einer Zunahme von Klagen geführt hat. Er argumentiert, dass die Bürger aufgrund dieser Unklarheit oft nicht wissen, was sie noch frei äußern dürfen, was dem Bestimmtheitsgebot des Grundgesetzes widerspricht.
Risiko einer politischen Justiz
Zu den aktuellen Tendenzen in der Strafjustiz berichtete Sattelmaier über den Reichsbürgerprozess, bei dem Angeklagte bereits vorab medial als Feinde des Staates dargestellt wurden. Er kritisiert, dass in solchen Fällen nicht selten die Gesinnung statt der eigentlichen Tat im Vordergrund zu stehen scheint.
Anstieg politisch motivierter Straftaten laut Meldestellenstatistiken
Wie Sattelmaier weiter ausführt, zeigen neueste Statistiken einen erheblichen Anstieg politisch motivierter Straftaten. Allerdings basieren diese Zahlen oft nur auf Meldungen statt auf tatsächlichen Verurteilungen. Dies sei vor allem auf Online-Meldestellen für politische Delikte zurückzuführen, was die realen Verhältnisse verzerrt darstellt.
Beispiele für Justizungleichheit
Als Beispiel für Ungleichbehandlung in der Justiz nennt Sattelmaier den Fall einer Frau, die wegen der Gegenüberstellung von Bildern zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, während ähnliche Fälle unterschiedlich behandelt wurden. Der sogenannte “Schwachkopf”-Fall unterstreicht diese Problematik, in dem ein Rentner für das Weiterleiten einer satirischen Botschaft rechtlich belangt wurde.
Unterschiedliche Maßstäbe in der Handhabung verbotener Symbole
Sattelmaier kritisiert auch die inkonsistente Anwendung von Verboten gegen bestimmte Symbole, wobei etablierte Medien unter Umständen weniger streng behandelt werden als Privatpersonen.
Forderung nach Präsenz von Politikern bei Gerichtsverhandlungen
Abschließend schlägt Sattelmaier vor, dass Politiker, die Klagen einreichen, persönlich vor Gericht erscheinen sollten, um ihre Beweggründe darzulegen. Dies könnte zu einer Verringerung unbegründeter Klagen führen.
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