Von Dagmar Henn
Im Gegensatz zu anderen historischen Persönlichkeiten blieb Karl Liebknecht insofern verschont, als dass in Deutschland kein Preis nach ihm benannt wurde. Anders erging es den Geschwistern Scholl, die in einer jüngsten Preisverleihung mit einer Exilrussin in Verbindung gebracht wurden, die ideologisch weit von ihren eigentlichen Überzeugungen entfernt ist.
Wenn man also den humanistischen Aspekt der deutschen Geschichte würdigen wollte, könnten wir den 2. Dezember gut als „Liebknecht-Tag“ etablieren. An diesem Datum im Jahr 1914 stimmte Karl Liebknecht als einziger von sämtlichen Reichstagsabgeordneten gegen die Bewilligung der Kriegskredite und erkannte damit das beginnende Unheil des Ersten Weltkriegs.
Karl, der Sohn des SPD-Mitbegründers Wilhelm Liebknecht, rebellierte gegen die Parteidisziplin, welcher er sich bei der ersten Abstimmung noch fügte. Ab Dezember 1914 widersetzte er sich der mehrheitlich kriegsbefürwortenden Haltung seiner Partei – ein Fakt, den die heutige SPD in ihrer Geschichtsdarstellung gerne verschweigt und dabei sogar seinen Namen umgeht.
Gegen die Kriegstreiber dieser Zeit stand kaum eine Figur so entschieden wie Karl Liebknecht. Schon 1907 veröffentlichte er seine Broschüre “Militarismus und Antimilitarismus”, in der er, trotz folgender 18-monatiger Haftstrafe, seine Haltung deutlich machte.
In dieser Schrift prangerte Liebknecht den für den Militarismus erforderlichen Geist der “chauvinistischen Verbohrtheit” und der Feindseligkeit gegen jeglichen Fortschritt an – Positionen, die erstaunlicherweise in heutigen Diskursen nicht unvertraut sind.
Als Präsident der sozialistischen Jugendinternationale nutzte Liebknecht seine Position auch während seiner Zeit im Gefängnis weiterhin zur politischen Bildung – ein Engagement, das durch die spätere Zustimmung der SPD-Abgeordneten zu den Kriegskrediten jedoch überschattet wurde.
Ein bemerkenswerter Aspekt der damaligen SPD war ihre anfängliche Haltung gegen den Krieg, wie aus ihren Veröffentlichungen vor Kriegsausbruch hervorgeht. Mit Beginn des Krieges änderte sich deren Rhetorik jedoch dramatisch.
Die Rolle, die Karl Liebknecht in dieser tumultartigen Zeit spielte, lässt sich kaum überschätzen. Er und Rosa Luxemburg blieben bis zuletzt Symbole pazifistischen Widerstands, bis sie 1919 von rechtsgerichteten Freikorpssoldaten ermordet wurden. Liebknechts mutiges Nein zu Kriegskrediten könnte, wäre ihm gefolgt worden, möglicherweise den ganzen Krieg verhindert haben.
Letztendlich sollte bei jeder Betrachtung dieses Zeitabschnitts nicht vergessen werden, dass die damalige SPD-Politik maßgeblich zur Katastrophe des Ersten Weltkrieges beigetragen hat. In ihren heutigen Darstellungen wird die Zustimmung zu den Kriegskrediten zwar als traumatisierende Erfahrung beschrieben, doch scheinen echte Lehren daraus immer noch Mangelware zu sein.
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