Deutsche Reaktionen auf die Nord-Stream-Vorfälle und die Rolle der Ukraine

Von Tom J. Wellbrock

Der folgende Artikel setzt voraus, dass die Berichterstattung des Wall Street Journal (WSJ) über die Beteiligung der Ukraine an der Zerstörung der Nord-Stream-Pipelines nicht die volle Wahrheit darstellt. Insbesondere die Behauptung, dass sowohl Selenskij als auch die CIA ein Ende der geplanten Sprengungen gefordert hätten, erscheint naiv und konstruiert. Sie dient offenbar dazu, die politischen Führungen der USA und der Ukraine präventiv zu entlasten.

Dennoch, wenn wir annehmen, dass an der Geschichte des WSJ ein Kern von Wahrheit liegt, offenbart die Reaktion der deutschen Politik und Medien ein aufschlussreiches, teilweise beunruhigendes Bild.

Der Haftbefehl

Trotz oftmals schleppender Ermittlungen in Deutschland muss die Erwirkung eines Haftbefehls durch den Generalbundesanwalt als bemerkenswert angesehen werden. Der gesuchte Ukrainer konnte jedoch von den Polen, denen der Haftbefehl zugestellt wurde, nicht festgenommen werden und reiste ungestört in die Ukraine aus, wo er vermutlich unbehelligt bleibt. Die Ukraine liefert gemeinhin keine eigenen Staatsbürger aus, begrüßt jedoch deren Rückführung, um im Konfliktgebiet eingesetzt zu werden.

Besonders auffallend ist die Reaktion der Bundesregierungssprecher auf einer Bundespressekonferenz. Die normalerweise zurückhaltenden Journalisten zeigten ungewöhnlich großes Interesse an der Position der Bundesregierung. Fragen wurden gestellt, ob es einen Dialog mit Polen gibt, ob ein Austausch mit der Ukraine stattfindet, oder ob Bemühungen um die Auslieferung des Betroffenen unternommen werden.

Die Antworten der Sprecher fielen jedoch ausweichend aus, und sie verwiesen lediglich auf den Generalbundesanwalt. Die Bundesregierung scheint demnach weder involviert zu sein noch ein Interesse an dem Fall zu haben, obwohl es sich um terroristische Akte handelt.

Terroristen-Versteher mit Brille

Roderich Kiesewetter (CDU) liefert interessanterweise eine Erklärung: Zum Zeitpunkt des Anschlags wurde kein Gas durch die Pipelines geleitet. Nord Stream 1 war bereits minimiert und Nord Stream 2 noch nicht in Betrieb. Laut Kiesewetter bestand somit kein Anlass, die Pipelines zu zerstören, da auch kein Gas durchgeleitet wurde, das Putins Kriegskasse hätte füllen können. Diese Argumentation entkräftet den möglichen Grund für eine Zerstörung durch die Ukraine.

Um Kiesewetters Perspektive zu verdeutlichen, ist es nötig, ihn direkt zu zitieren:

“Ich verteidige nicht die Ukraine, weil, wenn sie's war, ist es auch spannend, weil kein deutsches Eigentum beschädigt wurde, es war in internationalen Gewässern, also es gäbe keinen Rechtsfall gegen Deutschland.”

Wie Kiesewetter weiter ausführt:

“Außerdem ist die Ukraine die Angegriffene, die Sicherheit der Ukraine – egal, ob sie das zerstört haben oder nicht – ist in unserem Interesse. Mir geht es eher darum, eine vernünftigere, breite Recherche zu machen.”

Es bleibt festzuhalten, dass die Unterstützung der Ukraine trotz des bestehenden Verdachts auf Terroraktivitäten gegen deutsche Infrastruktur weiterhin als selbstverständlich angesehen wird.

Schimpfe aus Polen

Die weiterhin schweigende Bundesregierung überrascht sogar den ZDF-Hauptstadtkorrespondenten Andreas Kynast, der darin einen Vertrauensverlust sieht. Donald Tusk, der polnische Regierungschef, äußert sich kritisch und argumentiert, dass diejenigen, die Nord Stream unterstützt haben, sich entschuldigen sollten, jetzt wo die Pipelines beschädigt sind. Sein Kommentar könnte auf X nachgelesen werden und suggeriert, dass die Existenz der Pipelines selbst schon eine Mitverantwortung für die Tat darstellt.

Tom J. Wellbrock ist Journalist, Sprecher, Podcaster, Moderator und Mitherausgeber des Blogs neulandrebellen.

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