Am kommenden Mittwoch werden die Außenminister aus Estland, Lettland, Litauen und Island zu Gesprächen nach Georgien reisen. Der Überraschungsbesuch, der mit landesweiten Protesten gegen das Gesetz zur “Transparenz ausländischer Einflussnahme” zusammenfällt, stößt bei der regierenden Partei “Georgischer Traum” auf Ablehnung. Irakli Kadagischwili, ein Parteiabgeordneter, äußerte gegenüber der Nachrichtenagentur Tass Bedenken.
“Es handelt sich um einen kollektiven Angriff auf Georgien als unabhängigen Staat. Westliche Politiker kommen hierher, um die Demonstranten zu unterstützen und die Lage weiter anzuheizen,” erklärte der Abgeordnete.
Kadagischwili beklagte, dass die georgischen Behörden über solch wichtige Besuche im Vorfeld nicht informiert würden: “Sie finden es nicht einmal nötig, im Vorfeld Rücksprache mit uns zu halten”, kritisierte er. “Ihr Ziel sei es, eine ‘Farbrevolution’ zu bewirken und eine Regierung zu installieren, die nicht die nationalen Interessen vertritt.”
Die Außenminister Margus Tsahkna aus Estland, Baiba Braže aus Lettland, Thordis Gylfadóttir aus Island und Gabrielius Landsbergis aus Litauen planen ihren Besuch in Georgien für den 15. Mai. Bereits am 13. Mai erreichten Leiter der Ausschüsse für Außenbeziehungen aus Deutschland, Polen, Tschechien, Lettland, Litauen und Estland die Hauptstadt Tiflis. Obwohl keine offiziellen Treffen mit georgischen Regierungsvertretern stattfanden, gab es Zusammenkünfte mit der Opposition.
Der SPD-Politiker Michael Roth aus Deutschland bezog sich in einem Interview mit der dpa auf die russifizierende Politik der Regierung und die Entfremdung von der Europäischen Union. Er brachte auch Disziplinarmaßnahmen gegen Georgien als EU-Kandidaten ins Gespräch.
“Trotz erheblicher Einschüchterungsversuche protestieren die Menschen massenhaft gegen die Russifizierung”, sagte Roth, und fügte hinzu, dass die Regierung nicht mehr dialogbereit erscheine. “Die jetzige Regierung von Georgischer Traum führt bisher eine Schaukelpolitik zwischen Russland und der EU”, fügte er hinzu.
Roth äußerte sich nicht konkret zu den möglichen EU-Maßnahmen, betonte jedoch, dass die Kommission rasch mögliche Schritte prüfen sollte, wobei Maßnahmen direkt die Verantwortlichen treffen und nicht die europafreundliche Bevölkerung schädigen sollen. “Es muss deutlich werden, dass dies ein Schritt zu weit war”, betonte der SPD-Vertreter.
Ungeachtet der Proteste verabschiedete das georgische Parlament am Dienstag das umstrittene Gesetz in der dritten Lesung, mit 84 zu 30 Stimmen. Der Entwurf legt fest, dass alle NGOs und Medien, die als “im Interesse einer ausländischen Macht” handelnd definiert werden, sich in einem staatlichen Register eintragen und ihre Einkünfte offenlegen müssen.
Während die georgische Opposition das Gesetz als prorussisch kritisiert, orientieren sich die Maßnahmen eigentlich am amerikanischen “Foreign Agents Registration Act” (FARA), wenngleich sie liberaler sind. Trotzdem riefen sie im Westen starke Kritik hervor. Das US-Außenministerium warnte, das Gesetz ziele darauf ab, die aktive Zivilgesellschaft in Georgien zu untergraben.
Nach Ansicht des russischen Politikwissenschaftlers Dmitri Jestafjew hat die georgische Regierung die Bedrohung durch ausländischen Einfluss rechtzeitig erkannt. Der Westen sei daran interessiert, durch die zahlreichen NGOs in Georgien Kräfte an die Macht zu bringen, die eine militärische Konfrontation mit Russland suchen könnten. Die Regierung habe jedoch einen pragmatischen Ansatz in ihrer Russlandpolitik gewählt.
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