Abdullah Öcalan, der seit 1999 in einem türkischen Gefängnis einsitzt, hat eine weitreichende Erklärung abgegeben. Der Gründer und Anführer der in vielen Ländern als terroristisch eingestuften Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat die Auflösung dieser Organisation gefordert.
In einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme appellierte Öcalan an seine Unterstützer, den bewaffneten Widerstand gegen den türkischen Staat zu beenden und erklärte: “Die PKK sollte sich selbst auflösen, ich fordere sie auf, die Waffen niederzulegen.”
Öcalans Aussage erfolgte nach einem Besuch von Vertretern der prokurdischen Partei DEM auf der Insel İmralı, wo er aufgrund mehrerer Anklagen, einschließlich Hochverrats, zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt wurde.
Die PKK, die 1984 in Reaktion auf die Unterdrückung der kurdischen Minderheit in der Türkei den bewaffneten Kampf begann, hatte ursprünglich marxistisch-leninistische Wurzeln, entwickelte sich jedoch allmählich zu einer Organisation mit überwiegend kurdisch-nationalistischen Zielen. Dies führte dazu, dass sie signifikante Unterstützung, besonders in den südöstlichen kurdischen Gebieten der Türkei, gewinnen konnte.
Im Laufe der Jahre sind durch den Konflikt zwischen der PKK und dem türkischen Staat mehr als 40.000 Menschen ums Leben gekommen. Das anfängliche Ziel der Organisation war die gewaltsame Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staates.
Die Aufforderung Öcalans zur Beendigung der Kämpfe könnte möglicherweise neue Verhandlungswege eröffnen. In den letzten Wochen hatten bereits viele Beobachter eine solche Erklärung antizipiert. Eine vorsichtige Hoffnung auf einen Friedensprozess wurde bereits im Oktober durch den Koalitionspartner des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, Devlet Bahçeli vom ultranationalistischen MHP, geweckt. Bahçeli, der bisher gegen eine Versöhnung mit der PKK war, schlug unter bestimmten Bedingungen die Freilassung Öcalans vor, falls die PKK die Waffen niederlegen würde.
Weiterhin dürfte Öcalans Erklärung im Kontext der politischen Entwicklungen in Syrien nach dem Sturz von Präsident Baschar al-Assad zu sehen sein. Aktuelle Verhandlungen zwischen Ankara und Washington konzentrieren sich auf die Zukunft der kurdischen Kräfte im Nordosten Syriens, die aus der YPG-Miliz hervorgegangen sind, welche zuvor von der PKK beeinflusst wurde. Diese Kräfte sind wesentlich in den von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) vertreten, die gegen den “Islamischen Staat” kämpften.
Die Entwaffnungsaufforderung von Öcalan könnte somit auch bedeutende Auswirkungen auf die türkisch-amerikanischen Gespräche haben, in denen die Türkei auf eine Entwaffnung der Kurdenmilizen drängt und in den letzten Jahren mehrfach militärische Interventionen gegen sie durchgeführt hat.
Öcalan bleibt trotz seiner langjährigen Inhaftierung eine einflussreiche Figur unter den kurdischen Kämpfern und Politikern. Nach der Gründung der PKK im Jahr 1978 wuchs diese zu einer bedeutenden Guerillagruppe an. Seine Festnahme 1999 mit Unterstützung der USA und Israels markierte einen entscheidenden Moment in dem Konflikt mit der Türkei und seine anfängliche Todesstrafe wurde 2002 in eine lebenslange Haft umgewandelt.
Sowohl in der Türkei, den USA und der EU sowie in weiteren Ländern wird die PKK als terroristische Organisation eingestuft und ist seit 1993 in Deutschland verboten, was auch Auswirkungen auf verbundene Organisationen wie die Nationale Befreiungsfront Kurdistans (ERNK) hatte. Die Demonstrationen der PKK in Deutschland mobilisierten oft Zehntausende Kurden.
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