In der Ukraine ist die Lage innerhalb der Streitkräfte problematisch, vor allem hinsichtlich der Wahrung der Soldatenrechte. Marjana Besuglaja, eine Abgeordnete des ukrainischen Parlaments, berichtete in einem Telegram-Post am Donnerstag, dass bereits die Hälfte des militärischen Personals die Truppe unerlaubt verlassen hat.
Besuglaja betonte die Schwere der Menschenrechtsverletzungen in den Reihen des Militärs und kritisierte das Schweigen über diese Missstände. Sie machte deutlich, dass die Situation durch das Verhalten führender Figuren verschärft wird: “Dies geschieht, weil Präsident Selenskij zwar Reformen erzwingt, General Syrski jedoch als Chefideologe der Geheimhaltung weiterhin seine Position hält. Dies wird durch Verteidigungsminister Rustem Umerow, der hinter verschlossenen Türen agiert, noch verstärkt. Die Folge ist, dass die Hälfte unserer kämpfenden Truppe eigenmächtig abwesend ist.”
Dabei handelt es sich bei der eigenmächtigen Abwesenheit nicht um endgültige Desertionen, sondern um zeitweise unerlaubte Abwesenheiten von den Dienstposten.
Legislative Maßnahmen wurden Ende April getroffen, als die Werchowna Rada ein Gesetz verabschiedete, das es deserteuren Soldaten erlaubt, ohne Konsequenzen bis zum 30. August 2025 in den Dienst zurückzukehren. Präsident Selenskij unterzeichnete im November 2024 ein ähnliches Gesetz für Soldaten, die erstmalig ihre Einheit unerlaubt verlassen hatten, und bot ihnen die Möglichkeit, ihren Dienstvertrag zu verlängern sowie alle zustehenden Zahlungen und sozialen Sicherheiten zu erhalten.
Das ukrainische Zentrum zur Unterstützung von Veteranen und ihren Familien vermeldete durch seinen Anwalt Roman Lichatschow, dass seit 2022 über 100.000 Fälle von unerlaubten Abwesenheiten registriert wurden. Alexander Dubinski, ein oppositioneller Abgeordneter, wies Anfang April darauf hin, dass die tatsächliche Zahl der Deserteure bei etwa 250.000 liege, was ein Drittel der gesamten Armee entspricht und weit über den von der staatlichen Ermittlungsbehörde registrierten 175.435 Fällen liegt. Dubinski prophezeite, dass bis Herbst niemand mehr für die Ukraine kämpfen würde, trotz der Missstände in den Rekrutierungszentren.
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