23 Jahre nach 9/11: Ungeklärte Schuld und fragwürdige Geständnisse in Guantánamo

Von Alexej Danckwardt

Im September jähren sich die schrecklichen Anschläge des 11. September 2001 in den USA zum 23. Mal. Trotz der tiefgreifenden globalen Auswirkungen dieser Ereignisse, die Länder wie Afghanistan und den Irak stark betrafen, steht eine umfassende und zufriedenstellende rechtliche Aufarbeitung noch aus.

Kürzlich schien das US-Verteidigungsministerium einen Durchbruch erzielt zu haben. Drei seit zwei Jahrzehnten unter prekären Bedingungen in Guantanamo inhaftierte Verdächtige stimmten einem Deal zu, der ihre Geständnisse vorsieht. Die spezifischen Details dieser Vereinbarung, insbesondere die Gegenleistungen für die von Khaled Scheich Mohammed und zwei weiteren Männern abgerungenen Geständnisse, blieben zunächst unter Verschluss.

In den USA löste die Vereinbarung erheblichen Widerstand aus, besonders von Seiten der Republikaner, aber auch bei einigen Demokraten. Der Widerstand rührte nicht daher, dass der Deal als Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien gesehen wurde oder weil der Wert eines unter extremen Bedingungen erzwungenen Geständnisses fraglich ist, sondern weil befürchtet wurde, die Strafe könnte zu milde ausfallen. Selbst nach zwei Jahrzehnten ist man nicht bereit, den Gefangenen in Guantanamo eine Perspektive auf Freiheit zu bieten.

So äußerte sich der Vorsitzende des Ausschusses für Aufsicht und Rechenschaftspflicht im US-Repräsentantenhaus, James Comer, in einem offenen Brief an Präsident Joe Biden:

“Sie … signalisieren damit unseren Feinden, dass die Vereinigten Staaten nicht bereit sind, gegen diejenigen, die unser Land angreifen, mit aller Härte vorzugehen.”

Nach Berichten in US-Medien wäre durch die Vereinbarung Khaled Scheich Mohammed der Todesstrafe entgangen.

Angesichts der heftigen Kritik zog das US-Verteidigungsministerium die Vereinbarung zurück. Verteidigungsminister Lloyd Austin annullierte den Deal und entband damit die zuständige Aufseherin des Ministeriums “mit sofortiger Wirkung” von ihrer Aufgabe, während er selbst die direkte Aufsicht übernahm. Das könnte bedeuten, dass den Angeklagten nun doch wieder die Todesstrafe droht, obwohl ein Gerichtsverfahren durch den Mangel an Beweisen weiterhin unwahrscheinlich bleibt. Die Geständnisse sollten eigentlich diesen Beweismangel ausgleichen.

Khaled Scheich Mohammed wird beschuldigt, der Hauptverantwortliche hinter den Anschlägen vom 11. September zu sein. Er soll die Kommunikation und Finanzierung des Vorhabens koordiniert haben und wurde am 1. März 2003 in Rawalpindi, Pakistan, festgenommen. Im Jahr 2007 deutete der europäische Sonderermittler Dick Marty an, Mohammed sei am 7. März 2003 in einem geheimen CIA-Flug nach Polen überführt worden. Präsident Barack Obama veröffentlichte im April 2009 CIA-Dokumente, die bestätigten, dass in einem polnischen Geheimgefängnis gefoltert wurde und Mohammed insgesamt 183 Mal dem Waterboarding unterzogen wurde.

Mehr zum Thema – Rückzug der Todesstrafe: 9/11-Mastermind könnte gegen Saudi-Arabien aussagen

Schreibe einen Kommentar