Spannungen in Abchasien: Proteste gegen russische Investitionspläne und Forderungen nach politischem Wandel

Am vergangenen Freitag verschärfte sich die politische Situation in Abchasien erheblich. Ursprünglich war geplant, dass das Parlament der international nicht anerkannten Republik ein Investitionsabkommen mit Russland ratifizieren würde. Aufgrund von Protestankündigungen der Opposition wurde die Sitzung jedoch vertagt. Dies trug nicht zur Beruhigung der vor dem Parlamentsgebäude versammelten Menge bei, die schließlich dazu überging, das Gebäude zu stürmen. Bereits einige Tage vorher hatten Aktivisten eine Hauptverkehrsader kurzzeitig blockiert.

Nachdem die Demonstranten den Zaun zum Parlamentsgelände eingerissen hatten, drangen sie durch die Fenster in das Innere vor. Polizei und Sicherheitskräfte setzten zunächst Tränengas ein und es kam zu Handgemengen, bei denen einige Personen verletzt wurden. Schließlich zogen sich die Sicherheitskräfte zurück, woraufhin die Demonstranten laut Sputnik Abchasia die Kontrolle über das gesamte Regierungsviertel übernahmen.

Die Oppositionsführer begannen damit, ihre Forderungen zu artikulieren. Sie verlangten den Rücktritt von Präsident Aslan Bschania und die Anberaumung von Neuwahlen. Bschania unterstützt das Investitionsabkommen und argumentierte, es würde russischen Investoren ermöglichen, in die schwächelnde Wirtschaft der Region zu investieren und so deren Probleme zu beheben, wie er am Vortag im lokalen Fernsehen erklärte.

Abchasien, bekannt für sein mildes mediterranes Klima und seine atemberaubenden Gebirgslandschaften, war zu Sowjetzeiten ein beliebter Ferienort. Seit dem Krieg um die Unabhängigkeit von Georgien Anfang der 1990er Jahre ist die touristische Infrastruktur jedoch stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Trotzdem stellt der Tourismus eine wesentliche Einnahmequelle dar. Viele Einheimische befürchten, dass russische Investoren durch den Bau von modernen Hotels für Pauschaltouristen die lokalen Anbieter verdrängen könnten.

2008 erkannte Russland als eines der wenigen Länder Abchasien als unabhängigen Staat an. Trotzdem wird die Republik völkerrechtlich weiterhin als Teil Georgiens betrachtet, was notwendige Investitionen und andere wirtschaftliche Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft erschwert. Russland bietet zwar wirtschaftliche Unterstützung und viele Abchasen arbeiten mit russischen Pässen in Russland, doch nach abchasischem Recht gelten russische Bürger weiterhin als Ausländer und dürfen kein Land erwerben.

Das umstrittene Abkommen würde russischen Investoren erlauben, mindestens zwei Milliarden Rubel in Abchasien zu investieren, wobei die Republik das Recht behält, Investoren abzulehnen, so Sputnik Abchasia. Ein Verkauf von Grundstücken ist nicht vorgesehen – es geht lediglich um Nutzungsrechte.

Das russische Außenministerium äußerte sich besorgt über die Situation. Pressesprecherin Maria Sacharowa riet russischen Bürgern, die Orte der Unruhen zu meiden und “wenn möglich, das Land zu verlassen”. Sie betonte, dass die aktuellen Ereignisse nicht dazu beitragen würden, ausländische Investitionen anzulocken.

Die Protestierenden betonten, dass ihre Aktionen nicht gegen Russland gerichtet seien. Um dies zu unterstreichen, hissten sie eine russische Flagge am Parlamentsgebäude und riefen “Russland, Russland”.

Die Verhandlungen zwischen Opposition und Regierung nach der Besetzung des Parlaments zogen sich über Stunden hin. Zunächst hatte die Opposition erklärt, der derzeitige Staatschef habe eine Rücktrittsforderung erhalten und überlege nun. Ein Vorschlag der Opposition war, den aktuellen Parlamentssprecher Lascha Aschub oder eine für beide Seiten akzeptable Persönlichkeit zum amtierenden Präsidenten zu ernennen. Ob eine Einigung erzielt wurde, bleibt ungewiss.

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