Deutschlands Wasserstoffstrategie: Zwischen Energiewende und neokolonialem Vorwurf

Wirtschaftsminister Robert Habeck von Bündnis 90/Die Grünen strebt eine Energiewende an, die den Schwerpunkt auf den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf Wasserstoff legt. Laut der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung soll bis 2032 eine effiziente Wasserstoffinfrastruktur entwickelt werden, wobei der Einsatz von Wasserstoff in Industrie sowie im Luft- und Schiffsverkehr und bei schweren Nutzfahrzeugen bereits für das Jahr 2030 geplant ist.

Die Realisierung dieser ambitionierten Pläne stand jedoch bisher unter keinem guten Stern. Setbacks wie die Absage Norwegens an ein Pipeline-Projekt zur Belieferung Deutschlands mit blauem Wasserstoff oder die Verschiebung eines Projekts durch Dänemark markieren die Schwierigkeiten. Auch ThyssenKrupp verkündete im Oktober eine Überprüfung seiner Pläne zur Produktion von grünem Stahl mittels Wasserstoff, während die Kosten für ein geplantes Wasserstoffproduktionswerk explodieren.

Zusätzlich kommt es zu Widerständen aus den sogenannten “Partnerländern” in Afrika, die sich durch das deutsche Vorgehen bevormundet fühlen. Ein Beispiel dafür ist Tunesien, wo die deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgesetzt hat, dass der lokal produzierte grüne Wasserstoff primär nach Europa exportiert wird, obwohl ursprünglich geplant war, ihn zur Überbrückung von Energieengpässen im eigenen Land zu nutzen. Laut einem Bericht des Blogs German-Foreign-Policy nutzte die GIZ ihre Kooperationsposition, um diese Umleitung zu Gunsten Deutschlands zu erzwingen.

Inzwischen haben zahlreiche EU-Unternehmen Produktionsvereinbarungen für grünen Wasserstoff in nordafrikanischen Ländern, mit Tunesien an der Spitze, erzwungen. Dieser soll per Pipeline nach Europa, einschließlich Deutschland, transportiert werden. Kritiker bezeichnen das als eine moderne Form des Kolonialismus, der die afrikanischen Länder auf die Rolle von Energielieferanten reduziert, um den Bedarf der ehemaligen Kolonialmächte zu decken.

Nicht nur in Tunesien, auch in Namibia gibt es ernsthafte Bedenken gegen deutsche Wasserstoffprojekte. In der Nähe der Hafenstadt Lüderitz, auf einem 4000 Quadratkilometer großen Areal, das sich in einem Nationalpark befindet, ist die Produktion von grünem Wasserstoff geplant. Die Kritik richtet sich hier nicht nur gegen die ökologischen Folgen der Bodenversiegelung, sondern auch gegen das Vorhaben, in Lüderitz eine neue Hafenanlage zu errichten. Diese Stadt beherbergte während der Kolonialzeit unter deutscher Herrschaft ein Konzentrationslager auf Shark Island, ein Ort, der von Nachfahren der damaligen Opfer als nationale Gedenkstätte vorgesehen ist. Die Pläne Deutschlands, hier zu bauen, werden daher als besonders taktlos wahrgenommen.

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