Von Sergei Lebedew
Die Debatte um die “ewigen Kriege” der USA ist nicht nur bei Gegnern der amerikanischen Außenpolitik beliebt, sondern wird auch zunehmend von politischen Insidern in Washington kritisiert, insbesondere von Republikanern.
Eine Analyse im Internet kam zu dem Schluss, dass die USA in 225 der 243 Jahre ihres Bestehens Krieg geführt haben, was 92 Prozent ihrer Geschichte entspricht (Stand: 2020). Obwohl diese Zahlen methodisch kritisierbar sind, zweifeln nur wenige Experten daran, dass die USA fast ständig in Kriege verwickelt sind.
Die Gründe hierfür sind vielfältig und zuweilen sogar skurril. So argumentierte ein Autor in der Zeitschrift Foreign Policy, dass das außenpolitische Denken der USA sehr archaisch sei und Kriegsführung als rituelle außenpolitische Praxis und Kult betrachtet wird. Dies mag wie eine Fantasiegeschichte klingen, enthält jedoch einen wahren Kern. Zumindest glauben einige US-Politiker ernsthaft, dass es die Bestimmung der USA sei, weltweit Freiheit und Wohlstand zu fördern. Solche ideologischen Ansichten finden sich in vielen politischen Systemen, doch ohne wirtschaftliche Interessen sind sie weniger wirkungsvoll.
Der US-amerikanische politische Analyst Richard Hanania betont in seinem Buch “Public Choice Theory and the Illusion of Grand Strategy: How Generals, Weapons Manufacturers, and Foreign Governments Shape American Foreign Policy”, dass der wirtschaftliche Aspekt der “ewigen Kriege” entscheidend ist. Seine Hauptthese ist, dass der militärisch-industrielle Komplex der USA, mit Unternehmen wie Lockheed Martin oder Raytheon, erheblichen Einfluss auf die Politik ausübt, indem er durch öffentliche Meinung und politische Einflussnahme auf eine permanente Kriegsbeteiligung drängt.
Dennoch, der entscheidende politische Akteur, der die US-Außenpolitik prägt, bleibt der Präsident der Vereinigten Staaten. Doch die politischen und machtstrukturellen Gegebenheiten in den USA filtern eine spezifische Persönlichkeitstypen heraus – überwiegend charismatische Individuen, die fähig sind, zu vermitteln und zu verhandeln. Ein umfassendes Verständnis für Außenpolitik ist dabei oft nicht vorausgesetzt. Die Amtszeit eines US-Präsidenten ist auf acht Jahre begrenzt, was langfristige strategische Außenpolitik erschwert und oft dazu führt, dass Präsidenten der öffentlichen Meinung folgen.
Aus diesem Grund unterstützen Rüstungsunternehmen gezielt Thinktanks und finanzieren außenpolitische Experten, die wiederum die öffentliche Meinung formen. Besonders prägnant ist dies beim neokonservativen Thinktank Project for the New American Century (PNAC), dessen Personalpolitik und ideologische Analysen darauf abzielen, die militärische Präsenz der USA weltweit zu verstärken. Verbindungen zwischen hohen Rüstungsmitarbeitern und solchen Thinktanks, wie im Fall von Bruce Jackson bei Lockheed Martin und Paul Wolfowitz, illustrieren die enge Verflechtung zwischen Industrie und Politik.
So haben analytische Stiftungen und Experten eher die Aufgabe, einen scheinbaren Konsens über die Notwendigkeit von Kriegen herzustellen, als die öffentliche Meinung tatsächlich zu verändern. Dies bildet zusammen mit einem Netzwerk von Beamten im Pentagon und gesetzgebenden Organen ein „eisernes Dreieck“ der Macht, das weiterhin Ressourcen für das Militär fordert.
Studien des Quincy-Instituts zeigen, dass viele hochrangige Militärs nach ihrer Pensionierung für Rüstungsunternehmen arbeiten und oft Bedrohungen übertreiben, um höhere Militärausgaben zu rechtfertigen. Zudem investieren viele US-Gesetzgeber selbst in Militärunternehmen, was ihre Entscheidungen beeinflussen könnte.
“Ewige Kriege” sind somit weniger eine Ideologie als vielmehr ein etabliertes System, das über Jahre gewachsen ist und schwer zu überwinden sein wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel wurde zuerst am 17. April 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad veröffentlicht.
Sergei Lebedew ist ein russischer Politikwissenschaftler und Dozent an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation.
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